
Asia Bridge 12:16 / 1:17
Veröffentlicht in: Asia Bridge, 12:16 / 1:17
Rote Unterwäsche zu Neujahr, erfrischende Chips vom Supermarkt und Tiefkühlpizza für die Mikrowelle. Wer im hart umkämpften und dynamischen chinesischen Markt Käufer gewinnen will, muss bereit sein, neue Wege zu gehen. Dr. Dr. Andreas Tank erklärt, wie deutsche Unternehmen bei den kaufkräftigen Chinesen punkten und ihre Artikel erfolgreich vermarkten können.
Wie lassen sich die chinesischen Konsumenten charakterisieren?
» Die chinesische Käuferschicht strebt nach innovativen Produkten, die im Ausland populär sind. Vor allem Luxus- und Importmarken werden mit Vor- und Leitbildfunktionen verknüpft. Prestigewert, Status und Macht sind relevante Kauffaktoren, schließlich werden Erfolg und Wohlstand mit dem Wunsch verbunden, dass andere diesen wahrnehmen. Sind Luxusprodukte jedoch ubiquitär im Umlauf, bieten sie kein Alleinstellungsmerkmal. Zunehmend geht es den Besserverdienenden folglich nicht allein darum, als reich wahrgenommen zu werden, sondern über das Produkt im Sinne einer „individuellen Exklusivität“ den eigenen Stil zu fördern, aus der Anonymität der millionenfachen Masse herauszutreten, dynamisch-modern, international und anders zu sein. Doch aufgepasst: China ist ein Land mit starken regionalen Disparitäten. Einen prototypischen chinesischen Konsumenten gibt es nicht.
Wie sollten ausländische Produkte an den chinesischen Markt angepasst werden?
» Differenzen zeigen sich zum Beispiel in den Verwendungsgewohnheiten. Diese sollten zuvor je nach Zielgruppe genauestens analysiert werden. Ein Backofen gehört beispielsweise nicht zur klassischen Ausstattung chinesischer Haushalte. Dr. Oetker produziert am Standort Shanghai folglich Pizzen für die Zubereitung in der Mikrowelle. Aber auch die Konsumgröße darf nicht vernachlässigt werden. Sie steht im Kontext mit Faktoren wie Haushaltsgröße, Wohnraum, politischen Vorgaben oder dem Kaufkraftniveau, denn diese haben einen Einfluss auf das Kauf- und Bevorratungsverhalten. Vor allem bei Konsumgütern fällt die starke Präsenz kleinerer Verpackungseinheiten auf. Sie sind absolut gesehen günstiger und suggerieren ein minimales Fehlkaufrisiko.
Stichwort Lebensmittel: Haben Chinesen beim Geschmack besondere Vorlieben?
» Viele Anbieter haben hier Anpassungen oder Ausweitungen vorgenommen: Tuc gibt es in der Note Seemoos, Eiscreme von Cold Stone Creamery mit Kastaniengeschmack und Pretz in den Varianten Pekingente, Shanghai Krabbe und Scharfes Sichuan Tofu. Bei Lebensmitteln muss berücksichtigt werden, dass Essen in China durch den engen jahrtausendealten Zusammenhang zwischen Ernährung und Medizin immer auch funktional ist. Lebensmittel werden nicht nur aufgrund ihres Geschmacks, Duftes oder ihrer Farbe konsumiert, sondern besonders in Anbetracht ihrer positiven Wirkung: Lay’s hat beispielsweise Chips mit Gurkengeschmack im Sortiment und lobt diese analog zu den diätetischen Eigenschaften als kühlend und erfrischend aus. Gesundheitsbezogene Hinweise sind generell förderlich.
Was sollte beim Verpackungsdesign beachtet werden?
» Der Verpackung kommt als Träger von Produktinformationen eine besondere Bedeutung zu. Sie sind angesichts des hohen Anteils an Erstkäufern und dem Bedürfnis, Fehlkäufe zu vermeiden, äußerst relevant. Es empfiehlt sich, den Inhalt und die Benutzung piktografisch abzubilden oder Sichtfenster einzusetzen. Bei Erklärungen ist zu prüfen, dass sie im fremden Kulturkreis verständlich sind. Die lokalen Distributionsverhältnisse und diversen Klimazonen verlangen wiederum eine Tauglichkeitsanalyse der Schutzfunktion der Verpackung. Bei der ästhetischen Produktdarbietung sind Farben und Formen zu hinterfragen, schließlich eröffnet deren kulturspezifischer Bedeutungsgehalt ein weites Feld für Fehlentscheidungen. Während charakteristische Markenfarben in der Regel nicht angepasst werden, berücksichtigen marktaktive Unternehmen chinesische Farbpräferenzen vor allem an Feiertagen oder für besondere Anlässe. Schiesser bietet zum Frühjahrsfest rote Unterwäsche mit goldenem Aufdruck des jeweiligen Tierkreiszeichens an und passend hierzu eine goldene Verpackung.
Welche Werte sollten mit der Werbung transportiert werden, damit das Produkt beim Verbraucher hervorsticht?
» Im Voraus ist zu prüfen, ob die durch eine Marke oder ein Produkt verkörperten Werte in China akzeptiert werden und in welcher Art Inhalte und Botschaften wirkungsvoll übermittelt werden können. Erfolgreiches Marketing setzt eine tiefgreifende Chinakompetenz voraus, denn gleichwohl die starke Symbolorientierung der chinesischen Gesellschaft einen reichhaltigen Fundus an Gestaltungselementen bietet, so verstecken sich gerade bei Farben, Tieren, Pflanzen, Zahlen, Bauwerken oder Gegenständen subtile Mehrdeutigkeiten, die es im Vorhinein zu erkennen gilt. Grundsätzlich ist der Gebrauch von Superlativen ebenso unzulässig wie allzu freizügige Werbemotive oder das Aufgreifen von politischen Themen oder staatlichen Elementen. Analog zur Vision der politischen Führung sollen in der Werbung Vorbildcharaktere gezeigt werden, zum Beispiel durch Darstellung von harmonischen Familien, wohlerzogenen Kindern oder kollektivistischem Verhalten wie das Teilen von Wissen mit der Gemeinschaft. Drei langfristig gültige Erfolgsfaktoren sind die Integration des Ursprungslandes, der Einsatz von Persönlichkeiten und Meinungsführern sowie ein Verweis auf eine lange Markentradition.
Welches Image haben ausländische Produkte in China und wie können sie dieses für ihr Marketing nutzen?
» Ruft das Ursprungsland ein positives Image hervor, empfiehlt es sich, dieses in der Kommunikation aufzugreifen. Französische Produkte stehen in China für Luxus und Romantik, amerikanische für Freiheit und Individualität. An deutschen Produkten schätzen Chinesen die Qualität, Zuverlässigkeit und Solidität. Sie genießen einen hohen Vertrauensvorschuss. Von Flaggen über Slogans bis hin zu Qualitätssiegeln gibt es zahlreiche Möglichkeiten, einen Hinweis auf die ausländische Herkunft in die Produktdarbietung zu integrieren und somit den Ursprungslandeffekt für sich zu nutzen. Auch der Einsatz von ausländischen Werbedarstellern oder stereotypischen musikalischen Elementen ist überlegenswert. Wie ein Leuchtturm bietet der Einsatz dieses Instrumentes dem Konsumenten Orientierung in der täglichen Unübersichtlichkeit und Flut neuer und fremder Produkte.
Wie finden deutsche Unternehmen das optimale Medium für ihre Werbung?
» Der chinesische Werbemarkt ist nach den USA der weltweit zweitgrößte und wächst doppelt so schnell wie der amerikanische. Moderne Technologien sind der bedeutendste Treiber. China hat nicht nur die größte aktive Internetbevölkerung, es ist im globalen Vergleich auch der größte E-Commerce- und Smartphonemarkt. Die chinesische Mittelklasse ist digital aktiv und in sozialen Medienapps wie Wechat vernetzt. Digitale Werbung gewinnt im Vergleich zu TV signifikant an Bedeutung, gleichwohl der Fernseher als Massenmedium weiterhin bei Reichweite und Einfluss punktet. Printmedien verzeichnen durch das veränderte Mediennutzungsverhalten einen Abwärtstrend. Außenwerbung kann in vielen Varianten eingesetzt werden, wie Shanghais Hochhausfassaden in Pudong mit ihrem täglichen Spektakel an leuchtenden Werbeprojektionen eindrucksvoll belegen. Radio schließlich ist ein vergleichsweise kleiner Kanal, der allerdings durch die zunehmende Mobilisierung der Bevölkerung nicht uninteressant ist.
Welche Tipps würden sie internationalen Firmen für ein erfolgreiches Marketing in China mit auf den Weg geben?
» Das Chinageschäft ist komplex, anspruchsvoll und herausfordernd. Unternehmerische Aktivitäten werden neben volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie staatlichen Direktiven in hohem Maße durch kulturell bestimmte Verhaltensmuster und Konventionen beeinflusst. Maßgeblich entscheidend für den Erfolg und eine positive Antwort auf die Frage nach der „Chinability“ des eigenen Unternehmens ist die Fähigkeit, ein Verständnis für den chinesischen Markt frei von westlichen Denkmodellen zu entwickeln sowie die kontinuierliche Bereitschaft für neues Lernen und unvoreingenommenes Hinterfragen. Schließlich ist China als Gegenprinzip zum Westen in seiner Heterogenität zugleich noch dynamisch. Nicht zuletzt sind auch auf Seiten des Stammsitzes Hausaufgaben zu machen, denn wesentliche erfolgsschmälernde Risiken gehen nicht automatisch vom Markt aus, sondern liegen auch unternehmensintern in der Unfähigkeit, lokale Realitäten in etablierte Systeme zu integrieren. Im Chinageschäft ist erfahrungsgemäß ein „Langer Marsch“ und kein Sprint einzuplanen. Wer bereit ist, sich dieser anspruchsvollen Herausforderung zu stellen, wird mit unternehmerischem Gespür, interkulturellem Talent und Ausdauer sein eigenes Erfolgskapitel aufschlagen. :::
DIE FRAGEN STELLTE ANNIKA HARTMANN
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