
Den Einzelhandel erobert: Innerhalb eines Jahres eröffnete Viessmann fast 200 Showrooms in einheitlichem Corporate Design in China.
Die Erschließung lokaler Einzelhandelsstrukturen ist für Marktakteure in China neben dem zumeist volatilen Projektgeschäft eine unternehmerische Chance, die Perspektiven auf einen unmittelbareren Marktzugang, die Erhöhung der Markenbekanntheit sowie ein stabiles und kontinuierliches Wachstum eröffnet. Voraussetzung dafür ist eine unverwechselbare Corporate Identity.
Wenngleich der Einzelhandel als Brückenpfeiler die flächendeckende Distribution und Präsenz bis in weitverzweigte Verkaufskanäle begünstigt, wird die Stärke einer Marke nicht unerheblich durch den Faktor der einheitlichen Wiedererkennung beeinflusst. Der Auftritt und die Ausstattung der Händlerverkaufsräume haben folglich nach spezifischen und klar definierten Corporate-Identity-Vorgaben zu erfolgen, um einen eigenständigen und positiven Unternehmensauftritt sicherzustellen. Vor dem Hintergrund, dass in China – Asien insgesamt – Anbieter einer Branche zumeist in derselben Straße, zum Teil direkt nebeneinander angesiedelt sind, muss dieses noch mehr gelten, schließlich bietet sich dem potenziellen Endnutzer hier eine unmittelbare Vergleichbarkeit.
Assimilationsbereitschaft
Das strategische Instrument der Corporate Identity, seine Bedeutung und Auswirkung scheint vielen Händlern im chinesischen Zielmarkt nicht per se bekannt, obschon es von einer großen Zahl lokaler Korporationen wie Bank of China, Lenovo oder Li Ning erfolgreich eingesetzt wird. In diesem Fall muss Verständnis, vor allem für strenge Vorgaben im Bereich des Corporate Design, dem visuellen Erscheinungsbild eines Unternehmens, erst geweckt werden und sich gegenüber der im Markt dominierenden Maxime »Wer bezahlt, bestimmt« behaupten. Schließlich können die Startinvestitionen in die Etablierung eines Showrooms wie Innenausbau, Fassadengestaltung und auch Miet- oder Personalkosten nicht unerheblich sein.
Steht ein holistisches Showroom-Konzept, das von der Fassadengestaltung, Ausstellungssystemen zur Unternehmens- und Produktdarstellung bis hin zur Formatierung der Visitenkarte reicht und zugleich vorteilhafte Besonderheiten des lokalen Umfelds integriert, nicht bei Markteintritt bereit, kann es passieren, dass Design, Auftritt und Ausstattung der Verkaufsräume der individuellen Markeninterpretation jedes einzelnen Händlers folgen. Mit der Konsequenz, dass nicht nur auf Landesebene, sondern selbst innerhalb einer Stadt keine einheitliche Wahrnehmung gewährleistet ist: Weder die Marke, noch das Verkaufsnetzwerk profitiert von Synergieeffekten.
Ohne stringentes Engagement in diesem Absatzkanal und Investition in den Vorverkauf, sprich Werbemaßnahmen, gehen Unternehmen das Risiko ein, dass ihr im Westen etabliertes Markenprodukt in China lediglich als ein Produkt unter vielen gilt, das über seinen Preis als Hauptargument verkauft wird. Im Umkehrschluss gilt in China wie andernorts: Mit zunehmend wahrgenommener Stärke, Bekanntheit oder auch Popularität der Marke im Auge des Händlers und seiner Kunden wächst die Bereitschaft zur Assimilation und aufseiten des Unternehmens die Möglichkeit, die Umsetzung von Corporate-Design-Auflagen konditional einzufordern.
Auf kulturelle Wurzeln besinnen
Der Zusammenhang zwischen klar definierten Identitätsmerkmalen und daraus resultierender Stärke ist nicht erst seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts, der Wiege der Corporate Identity, bekannt. Noch ist dieses Konzept etwas spezifisch Westliches oder allein auf den Bereich der Unternehmenskultur zu limitieren. Die Ursprünge müssen vielmehr in der Alchemie alter Hochkulturen gesucht werden, die alles Sein – unter anderem Eigenschaften, Farben oder Formen – einer festgelegten Anzahl an Grundelementen zuordnete.
In Chinas Kulturgeschichte ist hier das Fünf-Elemente-System (wu xing, 五行) zu nennen, weltweit eines der ältesten holistischen Modelle zur Klassifizierung und Kategorisierung von Phänomenen unterschiedlichster Art. Dieses hat die kulturelle Identität so bestimmend geprägt, dass inhärente Bedeutungsmuster bis in die Gegenwart hineinreichen und allgemein verstanden werden, wie beispielsweise anhand des Shanghaier Stadtmuseums aufgezeigt werden kann. Dessen Architektur trägt der alten chinesischen Vorstellung Rechnung, dass die Erde eckig und der Himmel rund ist. Das historische Äquivalent bilden zum Beispiel der Pekinger Himmelstempel – Rundbau mit blauem Dach – und die Verbotene Stadt – rechteckige Grundform mit gelb glasierten Dachziegeln. Das dem Kaiser vorbehaltene Gelb verkörpert die von ihm gegenüber dem Himmel vertretene Erde Chinas. Die These liegt nahe, dass eine Rückbesinnung auf traditionelle, lokale Wurzeln dem Aufbau von Marken mit charakteristischer Persönlichkeit auch im modernen China zugute kommen und das Verständnis für die zugrundeliegenden Prärequisiten schärfen kann.
Dialog zwischen Kunst und Design

Kunst. Design. Identität. Die von Viessmann Heating Technology Beijing Co., Ltd. initiierte Kunstausstellung „Embedded Creation – Exploring the dialogue between corporate design and art“ zog 53.000 Besucher in die Hallen der Pekinger 798 Galerie UCCA.
Corporate Identity, seine Entwicklung und konsistente Umsetzung gelten als zentraler Bestandteil der strategischen Unternehmensführung. In Deutschland, aber auch international, haben Künstler, darunter der Grafiker Anton Stankowski (1906-1998), der Designer und Architekt Hans Gugelot (1920- 1965) oder der Grafikdesigner Karl Duschek (1947-2011) die Corporate Identity zahlreicher Firmen maßgeblich geprägt. Auf Stankowski gehen unter anderem die Logos für die Deutsche Bank, Iduna oder Viessmann zurück, Gugelot gilt als Wegbereiter des Braun– oder Pfaff-Systemdesigns, Duschek wiederum hat das Corporate Design der Deutschen Börse definiert. Auf den ersten Blick mag der Zusammenhang zwischen freier, undogmatischer Kunst und statisch wirkenden unternehmerischen Regelwerken widersprüchlich erscheinen, als Spiegel kontemporärer und potenzieller zukünftiger Strömungen ist die permanente Auseinandersetzung mit dynamischen Kreativprozessen von essentieller Bedeutung, ihre Inkorporation stärkt Identität nachhaltig. Angesichts der rezenten globalisierten Vernetzung ist dieser originär zumeist intrakulturelle Dialog zunehmend auch auf interkultureller Ebene zu explorieren.
Der Herausforderung, Händlern im chinesischen Einzelhandel den Erfolgsfaktor Corporate Identity zu vermitteln, lässt sich resümierend mit einer Vielzahl an Ansätzen und Instrumenten aus Tradition und Moderne, West und Ost begegnen. Über allem, das sei nicht unterschlagen, erfolgt der Markenaufbau nicht allein zum Selbstzweck. Indem sich starke Marken leichter und besser verkaufen, werden sowohl Unternehmen als auch Händler für ihre gemeinsamen Anstrengungen nachhaltig belohnt. at
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