Werbekampagnen ausländischer Unternehmen in China laufen leicht Gefahr, schon binnen kürzester Zeit gestoppt und wieder vom Markt genommen zu werden. Häufigster Grund hierfür ist die Missachtung kultureller Faktoren. Zwar erscheint China auf den ersten Blick in vielerlei Hinsicht westlich-modern, doch ein genauer Blick zeigt, dass eine Retraditionalisierung stattfindet und sich das Reich der Mitte zunehmend auf seine kulturellen Werte zurückbesinnt.
„Geistige Zivilisierung“
In der Werbung sollen demnach Handlungen und Personen mit Vorbildcharakter gezeigt werden, welche dem Prinzip der „geistigen Zivilisierung“, einem Ausdruck von dem Reformer der Öffnungspolitik, Deng Xiaoping, Rechnung tragen. So wurde eine Pepsi-Werbung nicht gestattet, da der in der Szene gezeigte Schauspieler nicht die Ampelzeichen beachtet, und Pizza Hut durfte eine TV-Anzeige nicht ausstrahlen, in der ein Schüler beim Erzählen von seinem Restaurantbesuch vor Begeisterung auf den Tisch steigt. Besonders in der Alkoholwerbung wird Vorbildverhalten groß geschrieben. Hier dürfen Personen weder beim Trinken gezeigt werden, noch dürfen diese Käufer ermutigen oder dazu bewegen, diese zu konsumieren.
Vorbildhaftes Verhalten ist oft eng mit der konfuzianischen Philosophie verbunden, vor allem in Bezug auf die Themen Kindespietät, Respekt vor dem Alter und Betonung der Familie. In einer Anzeige der National Women’s Federation (全国妇联) kommen diese zum Tragen: Eine Tochter wäscht der Mutter die Füße. Ihr circa fünfjähriger Sohn sieht dieses, holt eine Schüssel, geht in das Badezimmer und will ebenfalls seiner Mutter die Füße waschen. Generell müssen Eltern in Werbeanzeigen eine erziehende und führende Rolle einnehmen. Kinder dürfen hingegen nicht gegen ihre Eltern rebellieren oder dominant sein. Dieses würde ein schlechtes Bild auf die Familie werfen und einen Mangel an Erziehung darstellen. Derartige Defizite reduzieren das Gesicht der Familie und verhindern den Kauf des Produktes, statt ihn zu fördern. Ähnliches gilt für den Einsatz sonnengebräunter Menschen in der Werbung: Diese wecken Assoziationen mit Landarbeit und fördern nicht das Gesicht eines kaufkräftigen städtischen Konsumenten. Hingegen verwenden Chinesinnen und Chinesen gleichermaßen Haut aufhellende Creme, Nivea brachte eine derartige Creme auch für männliche Anwender heraus.
Werbedarsteller mit Vorbildfunktion
Neben den genannten Aspekten wird vom Staat ebenso kollektivistisches Verhalten gefordert. Eine Shampoowerbung, welche einen einzelnen wagemutigen Klippenspringer zeigt, ist unerwünscht – im Gegensatz zur TV-Werbung für die Unilever-Zahnpasta „Zhonghua“ (中华), ein Produkt, welches als patriotisches Element den Namen „China“ trägt: Ein Junge wird darin zwar aus einer Gruppe hervorgehoben, doch nutzt das Kind diese Situation, um seinen Freunden von den positiven Erfahrungen mit der Zahnpasta zu berichten. Das eigene Wissen wird der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Eine Werbeaktion von McDonald’s greift dieses auf und zeigt ebenfalls erzieherischen Charakter, indem sie diese Zahnpflegemarke bei jedem Kauf einer Familienbox mit ausgeben. Die Jungen Kaiser Chinas jedoch, die Generation, welche seit dem Beginn der Modernisierungspolitik aufwuchs, ziehen staatlicher Beeinflussung Individualität und Selbstverwirklichung vor und wünschen ein Herausbrechen aus der anonymen Masse des weltgrößten Volkes. Coca Cola macht sich dieses mit dem Slogan „yao shuang you ziji” (要爽由自己) zunutze, welcher übersetzt so viel heißt wie „Ich will ganz mir selbst folgen“.
Die Brücke zwischen dem Wunsch der Konsumenten nach Individualität und dem kollektivistischen Erziehungsprinzip des Staates kann das Werbeelement Sport leisten. Während Fachleute den Ausdruck „collective individualism“ prägen, mag als Beispiel der deutsche Heiztechnikhersteller Viessmann genannt werden, der in China den Pingpongstar Timo Boll fördert.
In der Annahme, dass Werte wie Nationalstolz, Familiensinn und Achtung vor dem Alter bei den „Jungen Kaisern“ trotz Wunsch nach Individualität erhalten bleiben, werben westliche Unternehmen mit Familien oder verschiedenen Generationen in Anzeigen oder auf Produkten. Ein KFC-Fernsehspot zeigt eine chinesische Familie mit Tochter beim Restaurantbesuch; in einer Anzeige für einen Kodak-Film ist ein Mädchen mit ihren Großeltern zu sehen und in einer Allianz-Werbung versammeln sich mehrere Generationen zu einer harmonischen Geburtstagsfeier.
Sorgfältige Recherche bei der Integration kultureller Symbole erforderlich
Die chinesische Gesellschaft ist stark symbolorientiert und die Reichhaltigkeit der chinesischen Symbole und Rituale eignet sich zur Integration in Kommunikationsmaßnahmen. Als Beispiel für viele Möglichkeiten aus den Bereichen Farben, Zahlen, Pflanzen, Animationen, Bauwerke oder Ursprungslandeffekt mögen die zwölf Tiere des zyklischen Tierkreises – Ratte, Büffel, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Schaf, Affe, Hahn, Hund und Schwein – genannt werden. Diese Tiere haben einen hohen Symbolcharakter, doch ist auch hier Einsatz mit Sorgfalt geraten. So ließ der Sportartikelhersteller Nike in einer Werbung einen US-amerikanischen Basketballspieler ein Match mit Drachen spielen. Die Niederlage der Fabelwesen beleidigte die Chinesen, was nicht verwundert, gilt der Drache schließlich bis heute als Art Totem der chinesischen Nation und Repräsentant der traditionellen Kultur. Auch Toyota wollte ein Tier mit positiver Bedeutung in eine Werbemaßnahme einbauen und wählte den Löwen. Dieser ist in China Symbol für Macht, Mut sowie Majestät und gilt als bester Wächter. Eine Werbeanzeige zeigte 2004, wie zwei Löwen das Modell Prado GX begrüßen und sich verbeugen. Doch weckte dieses bei den Chinesen Erinnerungen an den Japanisch-Chinesischen Krieg, welcher 1937 auf der Marco-Polo-Brücke bei Peking startete, die mit 485 Löwenfiguren gesäumt ist. Die Kampagne musste gestoppt werden.
Fehler vermeiden
Es zeigt sich, dass das „moderne“ China stark durch kulturelle Einflüsse einer Jahrtausende alten Zivilisation geprägt ist. Dieses wird nicht nur zunehmen, sondern stimmt auch für die hier nicht erläuterten Faktoren des Marketing-Mix Produktgestaltung, Preis und Distribution. Während China weiterhin als größte Volkswirtschaft des 21. Jahrhunderts gehandelt wird, mehr und mehr Unternehmen hier Geschäftstätigkeiten beginnen und nicht wenige davon nach kurzer Zeit sämtliche Investitionen abschreiben, zeigt, dass gemeinsames Wissen aus Sinologie und Wirtschaft mehr denn je für den unternehmerischen Erfolg von Bedeutung ist. „Wenn du den Feind und dich selbst kennst, besteht kein Zweifel an deinem Sieg; wenn du Himmel und Erde kennst, dann wird dein Sieg vollständig sein“, so der chinesische Militärstratege Sunzi im 4. Jahrhundert vor Christus. Fehler können vermieden werden. at
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.