Chinas ungestillte Schokolust

Toblerone Geschenkpackung. © at

Toblerone Geschenkpackung. © at

Über 40 Prozent Zuwachs in den letzten Jahren? Der chinesische Markt ist für Schokoladenhersteller aus aller Welt so attraktiv wie nie zuvor, denn während der Weltmarkt nur noch um knapp 10 Prozent zulegte, kommen immer mehr Chinesen auf den Geschmack.

Noch vor dreißig Jahren wurde das kakaohaltige Genussmittel in China kaum verzehrt und galt als fremdartige, exotische und nicht zuletzt hochpreisige Kuriosität. Wie konnte hier der Durchbruch gelingen? Ein Blick in die Verkaufszahlen zeigt, dass vor allem ein kultureller Faktor hier ausschlaggebend ist: Die ausgeprägte Geschenkkultur. Spezielle Geschenkpackungen anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes und des westlichen Weihnachtsfestes machen weit über die Hälfte des Gesamtkonsums in China aus.

Eine Schokoladenmarke, die dieses Phänomen belegt, ist Toblerone. Nach Angaben der Werbeagentur Leagas Delaney in Shanghai wird diese, vor hundert Jahren im Schweizerischen Bern ins Leben gerufene Köstlichkeit, die mittlerweile in über 120 Ländern bekannt und an allen größeren Flughäfen rund um den Globus zu erwerben ist, in China hauptsächlich gekauft, um als Geschenk für Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder zu dienen. Um chinesische Konsumenten dazu zu bewegen, mehr als einen Riegel zu kaufen, entwarf die Agentur eine Kampagne, die auf die unverwechselbare Form der Toblerone abstellte und von der sich auch der chinesische Markenname ableitet. Denn 三角巧克力 heißt soviel wie „Dreieck-Schokolade“. Um diese Form ranken sich übrigens verschiedene Legenden: Während Schokoladenliebhaber rund um den Erdball glauben, dass der Miterfinder Theodor Tobler vom Matterhorn inspiriert wurde, standen seinen Söhnen zufolge Tänzerinnen des berühmten Pariser Revuetheaters Folies Bergère Modell, die sich inmitten einer Vorstellung zu einer kunstvollen Pyramide formiert hatten. Wie dem auch sei wurden jüngst fünfzig Studenten von Shanghais führenden Kunsthochschulen eingeladen, aus Toblerone Packungen virtuell eine beliebige Skulptur zu kreieren, die im Anschluss im Original nachgebaut wurde. Die eineinhalbmonatige Kampagne erreichte über 860.000 Besucher auf der eigens eingerichteten Website, wurde im chinesischen Microblog Sina über 20.000 Mal genannt und verhalf der Marke, ihre Bekanntheit im chinesischen Marktumfeld bedeutend zu erhöhen. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob sich dieser Erfolg in den kommenden Monaten – Weihnachten steht vor der Tür, und nur wenige Wochen darauf das Frühlingsfest – auch in den Verkaufszahlen zeigen wird.

Dann heißt es vielleicht im Schweizer Bern die Produktion hochzufahren, schließlich wird hier die Toblerone, eine Wortschöpfung aus Tobler und Terrone, der italienischen Bezeichnung für Honig-Mandel-Nougat, exklusiv produziert, um den hohen Ansprüchen an „Made in Switzerland“ gerecht zu werden. Die Produktrohstoffe sind allerdings durchweg international: Der Kakao stammt aus Mittel- und Südamerika und Afrika, die Milch kommt mehrheitlich aus der Schweiz, der Honig aus Mexiko und die Mandeln aus Kalifornien. In China sind die Inhaltsstoffe auch vor dem Hintergrund der Ernährungsphilosophie und Diätetik interessant, so war dunkle Schokolade 2011 die präferierte Wahl. Hersteller umwarben vor allem deren niedrigeren Fettgehalt im Vergleich zu Milch- und Weißer Schokolade und die gesundheitsfördernde Wirkung wertvoller Antioxidantien.

Eigenkonsum vs. Geschenkkultur – wo steckt in Zukunft das größere Potenzial? Chinas Pro-Kopf-Verbrauch ist weit von dem in den USA und Europa entfernt und die Nachfrage nach Schokolade ungebrochen. Süße Aussichten folglich für die zahlreichen Wettbewerber wie Mars, Nestlé, Ferrero oder Kraft. Doch: Wird es ihnen gelingen, Schokolade nach und nach und saisonunabhängig in die lokale Snackkultur zu integrieren oder werden die kulturell geprägten Kaufgewohnheiten weiterhin den Schokoladenkonsum maßgeblich bestimmen? at

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Führender Blog zum Thema China Marketing herausgegeben von China-Experte Dr. Dr. Andreas Tank. Praxisbeispiele, Fallstudien, Informationen, Hintergrundanalysen.
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