Die Nahrungsaufnahme genießt in China einen besonderen Stellenwert. Dieses kann unter anderem damit erklärt werden, dass Ernährung und Medizin in einem engen Zusammenhang gesehen werden. Jede Mahlzeit sollte nach den Prinzipien der Medizin aus mehreren Speisen bestehen, damit der menschliche Organismus als Einheit im Gleichgewicht und die Harmonie des gesamten Körpers in der Balance bleibt. Speisen werden folglich nicht nur aufgrund ihres Geschmacks, Duftes oder ihrer Farbe konsumiert, sondern auch in Anbetracht ihrer positiven Wirkung: Beispielsweise soll sich warmer grüner Tee auf das körperliche Wohlbefinden auswirken und die Verdauung begünstigen und Haferbrei werden wärmende Eigenschaften zugesagt, sodass er bevorzugt im Winter verkostet wird. Weiterhin genießen Frischwaren einen hohen Stellenwert und drängen Fertigprodukte und Tiefkühlkost in den Hintergrund. „Besser Gemüse aus dem Garten, als der beste Koch des Reiches“, lautet ein Sprichwort. Dieses gilt noch heute und besonders auf dem Land, wo noch lange nicht alle Haushalte mit Kühlschränken ausgestattet sind.
Dieser Küche stehen beispielsweise in China expandierende amerikanische Fast-Food-Ketten gegenüber, welche bei Chinas Neureichen als beliebtes Restaurant gelten. Schließlich dienen sie als Eintrittskarte in die Welt ausländischen Glamours. Doch die Begeisterung war nicht dauerhaft, die Gästezahlen sanken und die Chinesen fanden durch die nun erlebte Vielfalt mehr und mehr zu ihrer eigenen Küche zurück. Als Randanmerkung sei hier eingefügt, dass Fettleibigkeit und Herzprobleme durch ungesunde Lebensmittel in China auf dem Vormarsch sind.
Fest steht, dass eine ausgewogene und gesunde Ernährung analog chinesischer Essenphilosophie dieses verhindert hätte, denn „wer einen guten Koch hat, spart sich den Arzt“. Ausländische Firmen waren folglich aufgefordert, ihre Marktstrategie zu überdenken – Beispiele für ausländische Produkte, welche anhand des Gesundheitsaspektes angepasst wurden oder entsprechend vermarktet werden, sind die Nestlé-Getränkeserie „Vitality“, die Getränke in den Geschmacksrichtungen Chrysantheme, Aloe Vera und Blaubeere beinhaltet, Oreo-Kekse, welche in China weniger Zucker enthalten als beispielsweise in den USA, 3-Layer Hi-Calcium Soda Cracker von Danone oder nimm2, das als „The multi-vitamin sweet for the whole family“ angepriesen wird.
Anpassungen wurden nicht nur im Hinblick auf den Gesundheitsaspekt vorgenommen, sondern auch bezüglich des Geschmacksempfindens. Anhand des Begriffs „Snack“ können Divergenzen zwischen westlichen und chinesischen Assoziationen aufgezeigt werden. So gelten in China Trockenobst, Nüsse, getrocknetes Fleisch, Fisch oder Shrimps als traditionelle Snacks und nicht Chips, Kekse, Bonbons, Popcorn oder Eiskreme. Generell ist jedoch ein Wandel zu erkennen, denn Chinas wachsender Mittelstand versucht auch durch den Konsum westlicher Lebensmittel, seinen Wohlstand zur Geltung zu bringen. Als „westliches Essen“ verstehen Chinesen alles von deutschen Würstchen oder amerikanischen Hamburgern bis zu französischen Croissants. Ein Blick auf die eigene Denkweise zeigt, dass Europäer oder Amerikaner ebenso vereinheitlichen und nicht zwischen einzelnen chinesischen Küchen unterscheiden. Pauschal lassen sich diese in vier Himmelsrichtungen aufteilen: Im Norden isst man salzig, im Westen sauer, im Süden süß und im Osten scharf. Schärfer als im Ursprungsland sind auch einige lokale Produkte der amerikanischen Fast-Food-Kette KFC, zudem können hier neben Pommes Frites auch Reisbeilagen gewählt werden. TUC-Kekse sind nicht nur weniger salzig, sondern auch in der Geschmacksrichtung „Seemoos“ erhältlich und Lipton-Tee gibt es auch in der Note „Iron Buddha“. Babynahrung von Heinz wird mit „Fisch & Gemüse“-Geschmack angeboten, Eis ausländischer Hersteller gibt es in der Kombination „Grüner Tee und Rote Bohnen“ und eine Sorte von Lay’s Chips schmeckt nach „Peking-Ente“.
Es wäre ein Trugschluss, dass die aufgeführten Marktanpassungen ausländischer Produkte stets aufgrund intensiver Antizipation bei der Erarbeitung der Marktstrategie durchgeführt wurden. Oftmals wurden sie erst vorgenommen, als die unternehmerische Zukunft in Frage stand. So darf als häufiger Grund die Wettbewerbsintensität des chinesischen Marktes gelten und die Tatsache, dass Konkurrenzunternehmen die Nachfrage besser bedienten. Prägnantes Beispiel ist Nestlé, welches versuchte, sein Eissortiment anfangs standardisiert auf dem Markt anzubieten, doch über 4.000 landesweite Konkurrenten und allein 700 Eisprodukte in der Region Shanghai erwirkten, dass in der Zwischenzeit auch die Nestlé-Marken angepasst wurden. Neben der Anpassungsoption entwickeln ausländische Hersteller lokale Marken, so beispielsweise Coca-Cola die Getränkemarke Tianyudi (天与地), welche es in den Geschmacksrichtungen Lychee, Oolong oder Jasmin gibt.
Es zeigt sich einmal mehr, dass Chinas kulturelle Vergangenheit und Philosophie auch in die Gegenwart hineinwirken. Eine sorgfältige Analyse, die neben volks- und betriebswirtschaftlichen Rahmenfaktoren gerade auch kulturell-chinesische Einflussfaktoren berücksichtigt, ist für den Erfolg unverzichtbar. at
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