
Flughafenwerbung von BMW. © at
Veröffentlicht in: ChinaContact, 09/2016
Chinesische Verbraucher kaufen so viele Luxusgüter wie nie. Ob Limousinen, Handtaschen, Kosmetika oder Elektroartikel, 2015 standen sie für fast die Hälfte des weltweiten Luxusumsatzes. Welches Unternehmen möchte nicht Teil dieser Erfolgsgeschichte sein und in der Gunst kaufkräftiger Chinesen ganz oben stehen? Seit der Öffnung des Landes hat sich gezeigt, dass China stets attraktive Chancen und Potenziale bietet. Doch die Marktbearbeitung ist alles andere als einfach. Der Grad zwischen hoher Erwartung und schneller Enttäuschung ist schmal.
Mit seiner Öffnungs- und Reformpolitik leitete Deng Xiaoping 1978 eine Zeit gravierender Umbrüche und okzidentaler Einflüsse ein, in der sich China von einem der ärmsten Länder zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickelte, das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen im landesweiten Durchschnitt signifikant anstieg und sich ein relativ kaufkräftiger urbaner Mittelstand herausbildete. Diese Käuferschicht strebt nach innovativen Produkten, die im Ausland populär und führend sind. Hochpreisigere Produkte, vor allem Luxus- und Importmarken, genießen einen höheren Vertrauensvorschuss und werden mit Vor- und Leitbildfunktionen verknüpft. Prestigewert, Status und Macht sind relevante Kauffaktoren, schließlich werden Erfolg und Wohlstand mit dem Wunsch verbunden, dass andere diesen wahrnehmen. Sind Luxusprodukte jedoch ubiquitär im Umlauf, bieten sie kein Alleinstellungsmerkmal. Zunehmend geht es den Besserverdienenden folglich nicht allein darum, als reich wahrgenommen zu werden, sondern über das Produkt im Sinne einer „individuellen Exklusivität“ den eigenen Stil zu fördern, aus der Anonymität der millionenfachen Masse herauszutreten, dynamisch-modern, international und anders zu sein. In mancher Hinsicht erinnert dieses Phänomen an das goldene Zeitalter der 1920er und 1930er in Shanghai. Zu jener Zeit umwarb Nivea seine Zielgruppe mit dem Slogan, dass gesunde und schöne Haut von allen bewundert wird (肌肤健美 人人羡爱).
Erlebniswelten rund um die Marke
Bei ausländischen Herstellern von Luxus- und Premiumprodukten ist die aufstrebende chinesische Mittelschicht sehr begehrt. Zahlreiche Luxusmarken haben daher in China eigene Boutiquen eröffnet, in denen potenzielle Kunden mit ihrer Marke in Kontakt treten und in eine interaktive 360-Grad-Erlebniswelt eintauchen können. Der Bedeutung des Marktes entsprechend eröffnete beispielsweise Meissen Couture 2015 seinen weltgrößten Store in Shanghai. Auch das Modelabel Jil Sander ist in der Stadt präsent.
Produkte werden zum Teil an lokale Präferenzen und Verwendungsgewohnheiten angepasst. Oberklassewagen beispielsweise werden in China vornehmlich von Chauffeuren gefahren. Es gilt somit, die Ausstattung und den Komfort im Fond zu erhöhen wie Sitzabstand oder Unterhaltungselektronik. Werbeplakate für die BMW-7er-Serie unterstreichen diese Ausrichtung.
„Drache der 10.000 Schätze“
BMW ist bei Chinesen eher als „Schatzpferd“ (宝马, bao ma) bekannt, so lassen sich die beiden Schriftzeichen des in die chinesische Sprache übertragenen Namens übersetzen. Bei diesem Schritt ist stets besondere Sensibilität gefragt, denn die zu wählenden Schriftzeichen sollen nicht nur vertrauensvoll, aussagekräftig und elegant sein, sondern bei der Zielgruppe auch positive Assoziationen wecken. Montblanc heißt „wan bao long“ (万宝龙), übersetzt: „10.000-Schatz-Drache“. Der chinesische Name des Essig- und Feinkostproduzenten Kühne ist 冠利 (guan li), was sich aus „der Beste“ und „Gewinn“ zusammensetzt, und Nivea – 妮维雅 (ni wei ya) – verspricht, die Eleganz zu bewahren.
Der Zielgruppe „Gesicht“ geben
In der Kommunikation sind Ansprache und Gestaltungselemente so einzusetzen, dass dem Käufer „Gesicht“ gegeben wird. Drei langfristig gültige Einfluss- und Erfolgsfaktoren, die die Qualitätswahrnehmung und Kaufentscheidung chinesischer Kunden maßgeblich beeinflussen und in der Vermarktung genutzt werden, sind die Integration des Ursprungslandes, der Einsatz von Persönlichkeiten und Meinungsführern sowie ein Verweis auf eine lange Markentradition. Beispielsweise stehen auf Werbeplakaten von A. Lange & Söhne die beiden Schriftzeichen für Deutschland vor dem chinesischen Markennamen (德国郎格). Montblanc hat als Markenbotschafter das chinesische Badmintontalent Lin Dan engagiert und weist Kunden auf seine 110-jährige legendäre Pioniergeschichte hin (110年先 锋传奇). Steinway wiederum hat den Ausnahmepianisten Lang Lang unter Vertrag.
Auch bietet sich die Nutzung von Gestaltungselementen wie Farben, Tiere, Pflanzen, Zahlen, Bauwerke oder Gegenstände an. Dieser Fundus ist aufgrund der jahrtausendealten Kultur reichhaltig, doch können sich hier subtile Zwei- und Mehrdeutigkeiten verstecken. Diese gilt es im Vorhinein zu erkennen und deren Einsatz hat mit bewusster Überlegung zu erfolgen. Die positive Wirkung der zwölf Tiere des zyklischen Tierkreises benutzten ausländische Unternehmen wie BASF schon vor über einhundert Jahren. Im aktuellen Jahr des Affen ist dieser nicht nur auf Konsumgütern zu sehen, auch Luxusmarken wie Bally, Burberry, Estée Lauder oder Gucci brachten Sondereditionen auf den Markt und dekorierten ihre Schaufenster dem Anlass entsprechend. Zu Feiertagen sind auch Geschenkpackungen sehr beliebt, die nicht nur im lokalen Regal angeboten werden, sondern auch im Duty-Free-Bereich an ausländischen Flughäfen. Über 120 Millionen Chinesen reisten 2015 ins Ausland und belegten im Konsumranking den ersten Platz. Die Rothschild Weinmarke Mouton Cadet beispielsweise platzierte zum chinesischen Neujahrsfest 2015 einen auffälligen Aufsteller im Zeichen des Schafs bei Heinemann in Frankfurt.
Werbemarkt der Superlative
An chinesischen Flughäfen ist eine hohe Konzentration an Werbung für Luxusgüter zu beobachten. Aber auch moderne Technologien rücken in den Blick, schließlich kaufen chinesische Konsumenten einer aktuellen Studie nach 50 Prozent ihrer Luxusgüter online und mobil. China hat nicht nur die größte aktive Internetbevölkerung, es ist im globalen Vergleich auch der bedeutendste E-Commerce- und Smartphonemarkt. Die chinesische Mittelklasse ist digital aktiv und in sozialen Medienapps wie WeChat vernetzt. WeChat zählt über 760 Millionen aktive Nutzer. Zahlreiche Unternehmen haben hier ebenso Profile, und Fans können mit ihren bevorzugten Marken vernetzt sein.
Auf dem Weg zur Chinability
Das Chinageschäft ist komplex, anspruchsvoll und herausfordernd. Maßgeblich entscheidend für den Erfolg und eine positive Antwort auf die Frage nach der „Chinability“ des eigenen Unternehmens ist die Fähigkeit, ein Verständnis für den chinesischen Markt frei von westlichen Denkmodellen zu entwickeln sowie die kontinuierliche Bereitschaft für neues Lernen und unvoreingenommenes Hinterfragen. Schließlich ist China als Gegenprinzip zum Westen in seiner Heterogenität zugleich noch dynamisch. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, wird mit unternehmerischem Gespür, interkulturellem Talent und Ausdauer sein eigenes Erfolgskapitel aufschlagen. at
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