
In China herrscht ab Montag Ausnahmezustand. © dpa
Veröffentlicht in: tz, 16.07.2017
China-Experte Dr. Dr. Andreas Tank lebt seit Jahren in Shanghai. Er rechnet erneut mit dem Ausnahmezustand in seiner Wahlheimat, wenn der FC Bayern vor Ort ist.
China rastet aus, und der FC Bayern ist schuld! Die Münchner heben am Sonntag um 22.15 Uhr Richtung Asien ab. Im Rahmen der Audi Summer Tour werden zu Marketing-Zwecken in China Shanghai und Shenzhen sowie Singapur beackert (wir berichten im News-Ticker von der FCB-Asien-Reise).
Herr Tank, der Vorstand für Internationalisierung und Strategie des FCB wünscht sich, dass die chinesischen Fans im Rahmen der Audi Summer Tour wieder „Stern des Südens“ auf deutsch singen. Können Sie ihm Hoffnung machen?
Tank (lacht): Das ist gut möglich. Außerdem wird den Chinesen auf dem We-Chat-Kanal (Soziales Netzwerk in China, Anm. d. Red.) von Lufthansa schon beigebracht, das Vereinsmotto „Mia san mia“ auf deutsch auszusprechen.
Die Begeisterung für den Fußball und die Bayern kennt ihn China anscheinend keine sprachlichen Grenzen.
Tank: Das werden die Spieler spätestens merken, wenn sie am Flughafen ankommen. Ich versichere Ihnen, dass dort und am Hotel zahlreiche Fans warten und den FCB-Stars zujubeln werden. Da herrscht dann Ausnahmestimmung (Audi Summer Tour 2017: Alle Infos zur Asien-Reise des FC Bayern).
Präsident Xi Jinping höchstpersönlich hat Fußball auf die politische Agenda gesetzt.
Tank: Das hat auch etwas mit dem chinesischen Selbstverständnis zu tun. Während sich China in den letzten 40 Jahren von einem armen Entwicklungsland zur zweitgrößten Volkswirtschaft entwickelt hat, ist die chinesische Nationalmannschaft international leider nicht so erfolgreich wie erhofft. Das soll jetzt geändert werden.
Wie sieht das konkret aus?
Tank: Fußball wurde neuerdings beispielsweise als Pflichtfach in den Schulen eingeführt, bis 2025 sollen landesweit 50.000 Fußballakademien und 70.000 Fußballplätze eröffnet werden.
Aber steht in China bei Kindern nicht die Schule über jeglichen Freizeitaktivitäten?
Tank: Das ist richtig, ja. Zahlreiche chinesische Eltern begrüßen es nicht, ihren Kindern mehr Freizeit für Sport einzuräumen. Es hindert sie, den Fokus voll und ganz auf den rigorosen schulischen Wettbewerb zu legen.
Der FCB hat den Spagat zwischen Sport und Schule in China aber berücksichtigt.
Tank: Die Bayern machen das gut und sehr strategisch. Was ich bemerkenswert finde: Der FCB hat den Markt ja schon bearbeitet, bevor sie ein Büro vor Ort hatten. Der Verein ist in China daher führend. Und da sind wir beim Thema: Die Kooperation mit der Tsinghua-Universität in Peking, das ist ein in China einzigartiger Sportstudiengang und somit ein exzellenter Schachzug.
Wie bewerten Sie die Aktivitäten der anderen deutschen Vereine im Vergleich zum FCB?
Tank: Also die anderen Klubs kommen langsam in den Markt. Der VfL Wolfsburg hat kürzlich ein Büro in Peking eröffnet und der 1. FC Köln ging nach der Saison auf Asien-Reise. Aber die Bayern stehen da schon deutlich näher am Tor.
Und wie sieht es mit den Weltvereinen wie Real, Barcelona und Manchester aus?
Tank: Sagen wir es mal so: China darf man nicht einfach nur als Staat sehen, mit dem man viel Geld verdienen kann. Das hat von diesen vier Teams auch Real Madrid erkannt und unterstützt in China soziale Projekte an Schulen. Von anderen Fußball-Unternehmen weiß ich, dass sie im Handel stark sind, Barcelona zum Beispiel. Da gibt es dann Pepsi-Dosen mit einem Konterfei von Lionel Messi. Das habe ich von den Bayern jetzt noch nicht flächendeckend gesehen.
Auf was müssen die Bayern noch achten, um sich in China in einem guten Licht darzustellen?
Tank: Kulturelle Sensibilität neben exzellentem Fachwissen und Sprachkompetenz entscheidet maßgeblich über Erfolg und Misserfolg. Schließlich blickt China zurück auf eine seit Jahrtausenden ununterbrochene Kulturgeschichte.
Was würden Sie den Marketing-Experten des FCB raten?
Tank: Besondere Aufmerksamkeit sollten sie den chinesischen Sozialen Medien widmen, wie beispielsweise We-Chat. Diese App, die aktuell über 768 Millionen tägliche Nutzer zählt, ermöglicht eine enge, direkte Kommunikation und sorgt für ein kontinuierliches Grundrauschen bei den chinesischen Fans. Aber auch das machen die Bayern bisher schon sehr gut.
Interview: Manuel Bonke
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