
Das neue Mondjahr steht im Zeichen des Schweins. © at
Konsument in China zu sein, ist eine stressvolle Angelegenheit. In hoher Taktung nutzen Markenhersteller westliche oder chinesische Feiertage und integrieren diese in ihre Marketingplanung. Hierzu zählen unter anderem Weihnachten, Halloween, Valentinstage beider Kulturkreise, Mutter- und Vatertag, Tag des Kindes oder das chinesische Mittherbstfest. Neben diesen teils traditionellen und kulturellen Feierlichkeiten gibt es viele weitere Verkaufsanlässe, die den Konsum antreiben. Klare Nummer 1 der von Alibaba 2009 ausgerufene Single’s Tag am 11.11. – mittlerweile der weltgrößte Online-Einkaufstag. Geht es bei diesem mehrheitlich um Rabatte und Sonderangebote, sticht ein Fest aus allen anderen heraus: Das chinesische Frühlings- oder Neujahrsfest.
Dann reist ein Milliardenvolk in seine Heimatstädte – 3 Milliarden Reisebewegungen sprechen für sich – und das sonst so schnelllebige und betriebsame China kommt zur Ruhe, Familien feiern ihre Zusammenkunft und den Beginn des neuen Mondjahres.
Chinas bedeutendster Feiertag ist voller Symbolik. Ob Farben, Dekoration, Bräuche und natürlich im Scheinwerferlicht jedes Jahr eines der zwölf Tiere des chinesischen Tierkreiszeichens in Kombination mit einem der fünf Elemente: Am 5. Februar 2019 betrat das Erd-Schwein für 365 Tage die Bühne. Das Schwein steht in der chinesischen Astrologie für Gutmütigkeit und Treue. Der freundliche Vierbeiner ist zudem ein Symbol für Glück und Wohlstand. Als Optimist glauben sie an das Gute im Menschen, neigen allerdings auch etwas zu Naivität. Sie sind tolerant, großzügig und mutig, lassen sich andererseits aber auch öfter als andere Zeichen zu Leichtsinn und Maßlosigkeit hinreißen. Das Element Erde steht schließlich für hohe Werte wie Treue, Bodenständigkeit und Zuverlässigkeit. Da die Erde Nährboden ist für alles, was wächst, repräsentiert das Element im Horoskop auch das Streben nach Veränderung und Wandlung, allerdings nicht planlos und spontan, sondern zielgerichtet und ergebnisorientiert.
Auseinandersetzung mit chinesischer Kultur gewinnt an Tiefe
In Analogie zum westlichen Weihnachtsfest ist das Frühlingsfest die Hauptsaison für ausgiebige Mahlzeiten und Geschenke. Nutzten westliche Marken die zwölf Tiere in ihren Werbeanzeigen bereits zu Zeiten des chinesischen Kaiserreiches – beispielsweise BASF und Bayer –, sind als Pioniere nach dem Einleiten der Reform- und Öffnungspolitik vor vierzig Jahren insbesondere Nestlé mit rot-goldenen Geschenkverpackungen für Kaffee, Dove und Ferrero für Süßwaren, Wrigley für Kaugummi und Schnellrestaurantketten wie KFC und McDonald’s zu nennen. Über die letzten Jahrzehnte und insbesondere in den letzten Jahren ist die Anzahl an Marken, die besondere saisonale Geschenkverpackungen und Sondereditionen herausbringen, steil in die Höhe gegangen. Gleiches gilt für die Intensität der Vermarktung dieser Produkte und den Kampf um Konsumenten. Hier nehmen Marken immer mehr Geld in die Hand und schaffen beeindruckende Werbeeindrücke und Erlebniswelten. Reichte es vor einigen Jahren noch, lediglich die Verpackung rot zu gestalten und das jeweilige Jahrestier zu integrieren, ist eine stets tiefere Auseinandersetzung mit der reichhaltigen Schatzkammer der chinesischen Kultur zu beobachten, die bis hin zu gewitzten Wortspielen mit Homophonen reicht, aber auch beeindruckt durch exzellente Verzahnung einer Vielzahl von Marketingelementen: Neben dem Produkt und dem Design die Vermarktung in Werbekanälen aller Art, der Sichtbarkeit im Flaggschiffgeschäft oder im Online- und stationären Handel, der Integration von Beeinflussern und Werbebotschaftern, Kooperationen zwischen Marktakteuren und mit Designern, neue Technologien, der parallelen Durchführung von Gewinnspielen und ein intelligentes Zeitmanagement als maximierendes Bindeglied. In China, und zunehmend auch global.
Jahrestier als zentrales Designelement
Besonders ins Auge fällt stets das Tier des jeweiligen Jahres, das in den unterschiedlichsten Varianten zum Einsatz kommt. Kinder Schokolade hat eine Geschenkverpackung mit einem Plüschschwein herausgebracht. Dieses übrigens bereits im Herbst 2018, womit die italienische Marke ein Quartal vor dem Frühjahrsfest als eine der ersten Marken das Jahr des Schweins im Handel eingeläutet hat. Konsumenten, die an einem Gewinnspiel teilnahmen, konnten wiederum eines von 88 goldenen Schweinchen gewinnen. Einer der ersten war auch die Modemarke Coach: Im Eingang und Schaufenster standen schwungvoll tanzende Schweine mit goldener Krempe und goldenem Hütchen. In den Auslagen wurden Handtaschen, Etuis und Portemonnaies mit Schweineapplikationen oder sogar in Form eines Schweinekopfs präsentiert. Bei Tod’s prangte ein Schwein mit großen, weißen Ohren hinter dem Fenster, und Space NK Apothecary hat große Schweinestatuen aufgestellt. Im zwanzigsten Jahr seiner Chinapräsenz hat Starbucks das größte Neujahrsportfolio aller Zeiten herausgebracht und bietet in seinen tausenden Cafés rosafarbene Schweinebecher, Thermoskannen, Babyglasflaschen und Sparschweine an. Ebenso gab es eine Einkaufstasche, auf dem auf der Vorderseite das „Bärista“-Maskottchen im plüschigen Schweinekostüm herausstach und auf der Rückseite ein Ringelschwänzchen. Als saisonales Getränk gab es einen New Year Firework Latte. Das weltgrößte Café dieser amerikanischen Kette, die Starbucks Reserve Roastery in Shanghai, bot „Good Luck“-Kaffeedosen und eine limitierte Ausgabe klassischer roter Geldumschläge (红包, hongbao). Visuell setzte die Roastery auf ein Wildschwein und hat dieses auf einer goldenen Jacke und Baseballcaps integriert. Wer sich modisch im Zeichen des Schweins einzukleiden gedachte, der wurde auch bei Brooks Brothers fündig. In Anlehnung an die über 200-jährige Markengeschichte war auf den T-Shirts ein Schwein mit Zylinder, Fliege und Monokel zu sehen. Auf den blauen Stoffhosen waren goldene Schweinchen und in Rot eingenähte umgedrehte Schriftzeichen für Glück (福倒, fu dao) – bewusst auf dem Kopf, denn dieses ist homophon mit „das Glück ist angekommen“ (福到, fu dao). Kinder wurden bei der französischen Marke Petit Bateau fündig: Auf den Pullis und Strampelanzügen waren Schweine im Matrosenlook. Paul Smith wiederum hielt es einfach und applizierte lediglich einen großen Schweineaufkleber auf dem Schaufenster. Shanghai Tang nutzte dieses dagegen für ein großes Glücksrad mit rosa Schweinchen. Swarovski hatte besondere Schweinekristalle in der Vitrine und machte auf diese mit heliumgefüllten Schweineballons aufmerksam. Plüschschweine umringten eine rosarote Brille von Gucci, Monchhichi gab es im Schweinekostüm und bei Steiff standen Kuscheltierschweine ganz vorne in der Auslage. Im Bereich Kosmetik hatte SK-II eine Sonderserie mit Ringelschwänzchen als zentrales Designmotiv herausgebracht und Clarins ehrte die klassische chinesische Kunst der Seidenstickerei und ließ in einem Werbefilm ein goldenes Schwein mit roten Flügeln von Paris nach Shanghai fliegen, um die limitierte Sonderedition einzuführen. Porsche hatte schließlich eine besondere WeChat-Stickerserie herausgebracht, die auf das legendäre 917/20 „Pink Pig“-Design zurückgeht und erstmals während des 24-Stunden-Rennens von Le Mans 1971 das Licht erblickte – ebenso ein Jahr des Schweins. Der rosa Rennwagen zeigt die im Stil eines Fleischermeisters angebrachten Trennungslinien für die einzelnen Körperteile Rüssel, Hals, Schulter, Hirn, Ohrlappen, Wamme, Lende, Schinken, Haxen und Schwanz.
Wer eher kulinarische Freuden suchte, der fand ChocoChoc Pralinen in Schweineform im Supermarkt oder eine Sonderausgabe von Hennessy. Die französische Cognacmarke hatte eine Geschenkverpackung herausgebracht, auf der ein Schwein stolz auf einem Cognacfass posiert. In der koreanischen Bäckerei Tous les Jours gab es einen Happy Pink Pig Cream Cake, bei Lawson ein schweinförmiges Milchbrötchen und was wäre das Jahr des Schweins ohne Schweineerzeugnisse: Cofco, während es sich zugleich als Partner des chinesischen Raumschiffprogramms präsentierte, machte auf sein Schweinefleisch durch U-Bahn-Werbung aufmerksam. Und die 110-jährige chinesische Traditionsmarke Laopujia aus der Provinz Yunnan verkaufte feinen Schweinespeck.
Die alles überlagernde Farbe Rot
Rot ist die Glücksfarbe in China schlechthin und nimmt eine zentrale Rolle während der Frühlingsfestkommunikation ein. Besonders für die im Zeichen des Schweins Geborenen, ist es besonders glückverheißend, in ihrem Jahr rote Kleidung zu tragen. Wer die Dessous-Abteilungen von Kaufhäusern betrat, sah förmlich Rot. Ob Calvin Klein, Schiesser, Triumph oder die chinesische Marke Aimer – sie alle boten rote Unterwäsche mit teils goldenen Applikationen an. Beliebt waren hierbei die Zeichen für Glück oder Wohlstand, Fische, Wolken oder selbstredend Schweine. Rote Kleidung präsentierte auch H&M im Schaufenster, Puma hatte eine Fassadenwerbung für einen roten Trainingsanzug geschaltet, Schiesser bietet rote Kinderbekleidung an, Kate Spade preist rote Kleider und farblich passende Handtaschen an, Adidas hatte rote Bekleidung mit dem Schriftzeichen für Können in seinen Geschäften (能, neng), Lululemon setzte auf rote Yogakleidung und dekorierte das Schaufenster mit einem klassischen roten Scherenschnitt, der unterschiedliche Posen zeigte – hier steht das neue Jahr ganz im Zeichen des Neubeginns: Start a New Tradition (新年新日常) – und Karl Lagerfeld stellte schließlich rote Pullover und Kleider aus: Karl Holidays. Wer hierzu rote Schuhe benötigte – egal ob Stöckel- oder Lederschuhe – wurde bei Clarks fündig. Eine goldene Münze mit Schweineprägung hängt als Zierde an den Schnürsenkeln. Passende rote Taschen mit in Filz ausgestanzten glückverheißenden Zeichen fanden Konsumenten bei O bag.
Zum Neujahrsfest durfte auch die Schönheit nicht hinten anstehen – Dior umwarbt seinen Lippenstift Ultra Rouge mit „The red kiss you will never forget“, Bobbi Brown präsentierte seine roten Lippenstifte unter dem Motto „Festival of Luck“ während sich im Schaufenster ein Rad aus roten Geldumschlägen drehte und Sephora hatte kurzum eine Kampagne für den Farbton „Neujahrsrot“ gestartet (新年红), in der Sondereditionen von beliebten Kosmetikmarken wie Armani, Givenchy, Guerlain und Lancôme angepriesen wurden und ein Makeup-Pinsel, dessen Borsten wie ein Schweinerüssel aussahen. Lancôme hatte die große Eingangstreppe des luxuriösen Shanghaier Konsumtempels Jiuguang in den glückverheißenden Farben Rot und Gold, mit traditionellen Laternen sowie fliegenden Schweinchen mit goldenen Flügeln dekoriert.
Zum Frühlingsfest brachte der Elektronikkonzern Oppo das rote Mobiltelefon R17 auf den Markt – auf dem Werbeplakat schießt Albert Einstein hiermit ein Selfie –, S. T. Dupont bot rote Feuerzeuge an, Disney hatte eine rote Micky Maus im Angebot, die ein goldenes Schwein im Arm hält, die Kaffee-Geschenkverpackung von Nescafé trug den Namen „Lucky Red“ und wer sich vor dem Fest noch mit Kochutensilien bestücken wollte, der hatte die Qual der Wahl zwischen roten Kollektionen: Ob ein roter WMF Druckkochtopf, ein rotes Le Creuset Set, ein roter Paul Bocuse Stahltopf von Staub oder ein rotes Pürierstab-Set von Fissler – sämtliche Auslagen trugen die Farbe des Glücks. Doch nicht nur Marken: Im Shanghaier Stadtviertel Jing’an schalteten für das Neujahrsfest sogar alle LEDs an sämtlichen Gebäuden und Hochhäusern auf Rot.
Reichhaltige Schatzkammer chinesischer Symbole
Neben dem Jahrestier und der Glücksfarbe Rot wird die Symbolhaftigkeit vieler weiterer Elemente genutzt. Der Löwe ist in Form von Löwentänzen ein klassischer Bestandteil der Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr. Evisu hatte einen Löwen auf seine neue Jacke gestickt, und den Gott des Wohlstands Caishen auf die dazugehörige Hose. Unter den Tieren ist auch der Kranich aufzuführen – er steht für Langlebigkeit und Frieden – und die Elster, die im chinesischen Namen xique (喜鹊) das Schriftzeichen für Freude (喜) in sich trägt. Hennessy und Sony haben diese Vögel dieses Jahr genutzt. Positive Symbolelemente finden sich natürlich auch auf Grußkarten, beispielsweise von Hallmark: Goldbarren, Scherenschnitte, Päonien, Vasen und Chinaknoten. Auf letzteren setzte dieses Jahr ganz besonders Ferrero Rocher – die neue saisonale Verpackung war hieran angelehnt. Und auch Kjeldsens hatte diesen in sein Werbematerial integriert, zusammen mit dem Spruch „The happiness taste from Denmark“ (自丹麦幸福味). Nike, Zwilling und Swatch sind dieses Jahr tief in die Astrologie eingetaucht und haben die Schriftzeichen 已亥 (yi hai) in ihre Produktvermarktung integriert und zum Teil sogar in modische Designelemente verwandelt. Sie stehen für den letzten der 12 Erdstämme und das 36. Jahr im traditionellen 60-Jahre-Zyklus. Das Schwein ist das letzte Tier im zwölfjährigen Zodiak. Auch Atelier Cologne hat sich intensiv mit der Kultur auseinandergesetzt und ein Zitrusparfüm entworfen. Zitrusbäume stehen für Glück und positives Schicksal. Je mehr Früchte ein Baum trägt, umso mehr Glück und Wohlstand symbolisiert er. Unter den Zahlen fällt eine besonders häufig ins Auge: Die 8. Die positive Bedeutung der Zahl 8 (八, ba) – sie steht für „Reichwerden“ (发财, facai) – wird bereits seit vielen Jahren ubiquitär genutzt. Häagen-Dazs hat beispielsweise Glückspakete für 688 und 888 RMB herausgebracht, Costa Coffee verkaufte seine Sonderbecher im Zeichen des Schweins für 198, 288 und 328 RMB sowie eine rosafarbene Lunchbox von Monbento zum Preis von 268 RMB. Der Dumplinghersteller Wanchai Ferry wiederum hat die Zahl 8 visuell in das Schriftzeichen für rot (红, hong) integriert. Nike offerierte beim Kauf eines zweiten Stücks einen Rabatt von 12% – in chinesischer Schreibweise 8,8.
Familie und Kindespietät als konfuzianische Elemente
Bei einem derart traditionell verwurzelten Feiertag darf es nicht überraschen, dass auch konfuzianische Elemente eine Rolle spielen wie die Betonung der Familie und Kindespietät. Nestlé zeigte eine Szene, in der ein Sohn seinem Vater eine Dose Nahrungsergänzungsmittel schenkt. Der Sohn wurde dargestellt von dem Tischtennisstar Zhang Jike. Master Kong und Thermomix zeigten in ihrer Werbung Familien beim Neujahrsfestmahl. Gleiches galt für Lego, das 2019 seine erste limitierte Sonderausgabe zu einem kulturellen chinesischen Feiertag herausgegeben hat – neben einem Drachentanz- auch ein Neujahrsdinner-Set, das gespickt war mit Details: Ob Fischplatte auf dem Tisch, Kinder, die sich über rote Geldumschläge freuen, rote Laternen und Spruchbänder am Eingang, und ein Fernseher, in dem die CCTV Neujahrsgala läuft, die Einschaltquoten von über einer Milliarde erreicht. Bei dem Drachentanz mit beweglichen Elementen hielt selbstredend ein Schwein den Stab mit der Perle der Weisheit. Lego vermarktete die Sets als gemeinsame Aktion für die Familie: „den Geschmack des Neujahrs gemeinsam bauen“ (年味一起造). Das Familiensujet hatte auch Uniqlo aufgegriffen: Die LED-Bildschirme und Schaufenster zeigen Mehrgenerationenfamilien in roter Kleidung.
Beeinflusser nehmen immer größeren Stellenwert ein
Immer mehr Marken setzen für die Vermarktung ihrer Sondereditionen auf die starke Reichweite von Stars, Persönlichkeiten und Beeinflussern mit millionenfachen Followerzahlen auf deren sozialen Medienkanälen. Longchamp kooperierte beispielsweise mit dem chinesischen Handtaschenguru Tao Liang, bekannt als Mr. Bags. Mr. Bags ist einer von Chinas einflussreichsten Bloggern mit über fünf Millionen Fans. Den 26-jährigen Pekinger zeichnet seine Begeisterung und sein tiefgründiges Wissen zum Thema Handtaschen aus. Er erregte starkes Aufsehen, als er im Sommer 2018 auf seinem WeChat Mini-Programm Baoshop innerhalb von sechs Minuten Tod’s Handtaschen im Wert von über 400.000 Euro verkaufte. Swatch setzte auf seinen globalen Markenbotschafter, Wang Junkai, den 19-jährigen Sänger der chinesischen Boyband TFBoys. Er umwirbt die neue rot-goldene Uhr zum Jahr des Schweins. Sie wird in einer roten Umverpackung in Form eines Schweins angeboten, die beim Öffnen fröhlich grunzt. Die Schweinekollektion von Dove – Pralinen in Form eines Schweinerüssels, eines Ringelschwänzchens oder eines Ohrs – wurde umworben von dem Model Angelababy, Alpenliebe von Perfetti setzt auf die Schauspielerin Dilireba, Lindt auf Xin Zhilei, als Markenbotschafter für Hershey’s Kisses zieht der taiwanische Schauspieler Ethan Juan ins Rennen, Budweiser hat DJ Alok, das Model Xi Mengyao und Schauspieler Nicholas Tse verpflichtet und Wanchai Ferry tritt mit den vier Sängerinnen der beliebten Band SNH48 an. Bei Borussia Dortmund haben einige Starspieler fleißig Chinesisch gelernt und senden eine chinesische Grußbotschaft an ihre Fans – in der Hand ein schwarz-gelbes Schwein.
Neben Stars haben Kooperationen mit Künstlern und zwischen Marken deutlich zugenommen. Rosenthal hat für seine Schweine-Porzellanteller und -becher die renommierte iSHONi-Designerin Manuela-Federica verpflichtet, Hugo Boss hat mit dem New Yorker Künstler Jeremyville kooperiert, Kiehl’s ließ seine Neujahrsprodukte und -kampagne von dem britischen Illustrator Jonny Wan entwerfen, das aus eigener Zeichentrickserie bekannte Schwein McDull auf dem roten Kapuzenpullover von Reebok wurde von den Hongkonger Zeichnern Alice Mak und Brien Tse geschaffen, Casio kooperierte für seine rot-goldene G-Shock-Uhr mit der stark nachgefragten japanischen Spielzeugmarke Be@rbrick, die CVS-Kette Family Mart setzte vollends auf die Beliebtheit von Peppa Pig und verkaufte eine Vielzahl von Merchandising-Artikeln, und auf der Neujahrsverpackung von Toblerone waren schließlich die Kartoonfiguren von Uncle Tongdao zu sehen – sie haben auf WeChat innerhalb von drei Jahren über fünf Millionen Fans Zulauf verbucht.
Kauf durch zusätzliche Anreize stimulieren
Um in dem starken Wettbewerb den Markt weiter anzuheizen, setzen viele Marken zusätzlich auf Kaufanreize und Gewinnspiele. L’Occitane hatte beispielsweise für seine Kampagne „Start a new year of beauty“ ein Glücksrad in seinen Boutiquen, Hera initiierte ein Spiel, bei dem Konsumentinnen eine „Rotes Glück, Goldenes Schwein“ Kette gewinnen konnten, wer bei Biotherm Waren im Wert von über 2.280 RMB erstand, erhielt einen roten Koffer als Geschenk, Konsumenten, die Godiva Pralinen im Wert von 388 RMB kauften, erhielten eine rote Einkaufstasche mit Schweineaufdruck und ab einem Verkaufswert von 688 RMB war der Kaufanreiz ein Kristall aus dem Hause Swarovski. Paulaner hatte für die Vermarktung seiner Hefe-Weißbier-Geschenkverpackung ein WeChat basiertes Memory-Spiel aufgesetzt, bei dem Teilnehmer Biergeschenke im Gesamtwert von 5.000 RMB gewinnen konnten. Chips Ahoy Kekse boten dagegen eine lustige Keksfigur als Zugabe beim Kauf ihrer Geschenkdose an – auf der Verpackung prangte sichtbar das Zeichen 赠 (zeng): Geschenk. Einen zusätzlichen Anreiz stellten auch neue Technologien dar. Die Werbeanzeige von Coca-Cola war hinterlegt mit erweiterter Realität. Wer sie scannte, wurde von virtuellen Welten in den Bann gezogen und erhielt als Belohnung digitale Geldumschläge. Auch Minute Maid und Skittles setzten dieses Jahr für ihre Neujahrseditionen auf dieses technische Instrument.
Einsatz sprachlicher Mittel erreicht nie dagewesenes Niveau
Die chinesische Sprache ist bekannt für ihren Sprachwitz, der auf gleichklingenden Silben – Homophonen – beruht. Hierfür bedarf es starker kultureller Kompetenz und Sensibilität auf Seiten der Werbemacher. Auf der Hand lag dieses Jahr der Gleichklang der Silben zhu = Schwein (猪) und zhu = wünschen (祝). Bei Tous les Jours hieß „Frohes Neues“ folglich „猪”你快乐. Und bei Ports „猪“年快乐, „Oink Oink!“ und „Hogs & Kisses XO!“. Auch ohne Schriftzeichen ließ sich die Bedeutung transportieren: Auf der roten Unterwäsche von Schiesser stand beispielsweise hinter einem graphisch abgebildeten Schwein das Schriftzeichen für Wohlstand (才, cai). Zwilling beließ es in lateinischer Schreibweise „新春zhu 福” – „Glück im neuen Frühling“ –, betonte, dass das neue Jahr mit dem Neujahrsfestessen beginnt, und schlug vor, sämtliche Schweinetöpfe mit nach Hause zu nehmen. Eingeleitet von dem Schriftzeichen 亥 (hai), das sowohl als Gruss „Hi!“ gelesen werden kann, und wie erläutert nach dem chinesischen Horoskop zugleich das zugehörige Zeichen für das diesjährige Jahr des Schweins ist (亥! 新的一年,从团圆饭开始让大小猪锅跟你回家). Godiva spielte dieses Jahr sowohl visuell als auch sprachlich mit der Symbolik des Fisches, zum einen mit der Silbe yu, die sowohl Fisch (鱼), Fröhlichkeit (愉) als auch Übermaß (余) bedeuten kann und zum anderen mit der Silbe li = Karpfen (鲤) und li = Vorteil (利). Einen Fischteller hielt der Wohlstandsgott Caishen in einem Display der Marke Knorr, die mehr farbenfrohes Gemüse auf dem Tisch propagierte und hierfür die Silbe cai = Gemüse (菜) und cai = farbenfroh (彩) einsetzte. Alpenliebe nutzte für seinen Wunsch, dass alle für das Familienfest in einem Raum zusammenkommen den Gleichklang tang = Raum (堂) und tang = Bonbon (糖). Dove spielte mit seinem Markennamen defu (德芙), aus dem der Neujahrswunsch nach jährlichem Glück wurde (niannian de fu, 年年得福). Gleiches tat Lay’s für seine saisonalen Geschmacksrichtungen „Pfirsischblüte“, „Pflaume“ und „Weißer Pfirsisch“. Der chinesische Markenname leshi setzt sich aus den Zeichen für Freude (乐) und Dinge (事) zusammen. Im Neujahrsgruß können sie sowohl als Markenname gelesen werden als auch in ihrer separaten Bedeutung. Meiji spielte mit der Homophonie von chunyi, das je nach Schriftzeichen „reine 1“ (醇壹) heißen kann, als auch „Frühling ist in der Luft“ (春意). Hörmann machte sich den Wunsch für ein gesegnetes Haus zunutze (wufu linmen, 五福临门), wobei das letzte Schriftzeichen höchst passend die Kernkompetenz des Unternehmens ausdrückt: men (门): Tore & Türen. Yakult hatte auf seiner Sonderverpackung mit Feuerwerk, Fischen, Laternen, traditionellen Münzen, Trommeln und Drachentanz den Reim „täglich Yakult (yang le duo), täglicher Genuß (xiang le duo)“ (天天养乐多,天天享乐多) integriert. Sprachwitz ist natürlich nicht nur in der chinesischen Sprache möglich, so umwarb Guerlain sein Produkt Abbeile Royale mit dem Spruch „Bee my new year wish“ und bei Miu Miu hieß es: „Happy Miu Year“.
Mehr als in den Jahren zuvor wurden visuelle Elemente des Jahrestiers graphisch in Schriftzeichen integriert. Anstatt eines umgedrehten Glückzeichens präsentierte McDonald’s ein umgedrehtes Goldzeichen und integrierte hierin sein goldenes M flankiert von einer Werbekampagne im Stil der Goldenen Dreißiger in Shanghai. Diesel visualisierte ein Schwein aus Interpunktionszeichen auf seinem Schaufenster, Jingdong hatte Schweinerüssel und Kringelschwänzchen in die Schriftzeichen für Frühjahrsfestware (年货, nianhuo) integriert. Und bei Lyfen war das Schriftzeichen für Glück rund wie der Kopf eines Schweins und hatte zwei Öhrchen, darüber hinaus kamen traditionelle Langzeichen zum Einsatz. Auf diese setzte neben vielen weiteren Marktakteuren auch Clarks.
Heimreise zum Frühlingsfest als neue Verkaufsgelegenheit
Ein weiteres Novum war, dass die jährlich größte Bevölkerungsmigration der Welt selbst von immer mehr Firmen als gigantische Verkaufsgelegenheit erkannt wurde (春运, chunyun). Snickers hat dieses Jahr in Kooperation mit der Fluggesellschaft China Eastern, dem chinesischen Eisenbahnunternehmen China Railway, dem Shell Tankstellennetz und dem Beeinflusser Wang Junkai eine massive Werbekampagne gestartet. Die zentrale Botschaft: Voller Energie erreicht man sein Ziel, denn Snickers stillt den Hunger auf der diesjährigen Frühlingsfestreise: 春运,”饱”你回家. Wer hinter dem Steuer Müdigkeit vorbeugen wollte, dem half laut Wrigley’s Extra wiederum das Kauen von Kaugummi. Um diesen Produktnutzen eindrücklich im Supermarkt zu demonstrieren, fuhr ein selbstfahrendes Display durch die Gänge. Es zeigte den beliebten Popstar Lu Han, mit dem die amerikanische Marke eine Sonderserie herausgebracht hat. Die koreanische Marke Orion wiederum hat für ihre Schokokuchen eine Sonderverpackung in den Handel gebracht, die das Reisethema aufgreift und in dem ersten Schriftzeichen des chinesischen Markennamens visualisiert: In das Schriftzeichen für gut (好, hao) wurden Straßen, Züge, Berge, Tunnel und Brücken integriert begleitet von Graphiken für Drachentanz, Neujahrsessen und Geschenke. Wer reist, benötigt darüber hinaus Gepäck: American Tourister bot im Handel rote Koffer an und steigerte deren Absatz mit Rabattaktionen. Die Modemarke Gentspace sorgte schließlich für stilvolle Reisebekleidung für modebewusste Herren. Geschäfte zeigten eine Flughafenanzeigetafel: Abreise: Arbeit, Uhrzeit: Jetzt, Flugsteig: Chinesisch Neujahr, Ziel: Sweet Home!
Chinesisches Neujahrsfest zunehmend globales Verkaufsevent
Das chinesische Neujahrsfest wird zunehmend zu einem globalen Verkaufsevent. So viele Luxushersteller wie nie zuvor preisten ihre Sonderausgaben nicht nur in China und Asien, sondern auch in anderen Teilen der Welt an und präsentierten diese in ihren Boutiquen oder im Duty Free. Ob New York, London, Zürich oder Bangkok – allerorts grüßte das Schwein! Um hier den Kaufreiz besonders gegenüber chinesischen Konsumenten zu verstärken, unterstrich beispielsweise Aveda, dass die Produkte in Festlandchina nicht erhältlich sind.
Kulturelle Kompetenz und operative Exzellenz kontinuierlich perfektionieren
Seit der wirtschaftlichen Bearbeitung des chinesischen Marktes durch westliche Marktakteure zu Zeiten des Kaiserreichs war und ist kulturelles Wissen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Heute kämpfen mehr Marken denn je um die Gunst chinesischer Konsumenten, deren Anspruchs- und Erwartungshaltung signifikant gestiegen ist. Die aufgeführten Beispiele zeigen eindrücklich, in welcher Tiefe Unternehmen Lernkurven durchlaufen und nicht nur Chinakompetenz in den Komplexen Kultur, Markt und Konsumenten aufgebaut haben und anwenden, sondern auch operative Exzellenz. Nur wer dieses Zusammenspiel beherrscht und kontinuierlich perfektioniert, hat beste Chancen, von Konsumenten positiv wahrgenommen zu werden, als relevant zu gelten, gegenüber dem Wettbewerb einen Vorsprung zu erobern und nachhaltig sein Chinageschäft auszubauen. at
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