
Stolzer Hahn im Schaufenster von Dolce & Gabbana. @ at
Am 28. Januar beginnt nach dem traditionellen chinesischen Mondkalender das Jahr des Hahns. Es dauert bis zum 15. Februar 2018 und wird bestimmt von dem Element Feuer sowie dem weiblichen Element Yin. Der Hahn ist das zehnte Tier des chinesischen Tierkreiszeichens und löst den Affen als Jahresregenten ab. Während letzterer als klassisches Symbol des Wandels und der Überraschung gilt, gleicht der Hahn diesen mit seiner wohlgeplanten Entscheidungsfindung aus. Er symbolisiert eine Zeit hoher Ideale, eine Zeit des Erwachens und folgt seinen eindeutigen Lebensregeln mit vollem Einsatz. Höchst zuverlässig und pünktlich verkündet er den neuen Tag und dirigiert als lautstarker Anführer seine Gefolgschaft im Hühnerstall. Das Sprichwort „Lieber der Kopf eines Hahnes als den Schweif eines Phönix“ drückt die Präferenz aus, sein eigener Chef zu sein (宁做鸡头,不做凤尾, ning zuo jitou, bu zuo fengwei). Andererseits dürfen die Eitelkeit des Hahnes und sein Streben nach Bestätigung und Bewunderung nicht vergessen werden, und dieses gleichwohl er nicht zuletzt auf einem Misthaufen thront. Als einziges Federvieh ist sein Schnabel zudem schärfer als die Mundwerkzeuge der übrigen elf Tiere. Dieses kann Streitlust und Konflikte mit sich bringen. Yin wird in Verbindung mit Wasser und Metall gebracht, in Kombination mit Feuer kann dieses schwelende Konflikte und Disharmonie begünstigen.
Unabhängig von astrologischen Deutungen gilt das Neujahrfest als Chinas wichtigster Feiertag, der gemeinsam mit der Familie begangen wird. Bei einer Bevölkerung von knapp 1,4 Milliarden Menschen bringt dieses entsprechende Konsequenzen mit sich: Allein in diesem Jahr werden innerhalb von 40 Tagen um das Fest gut 3 Milliarden Reisebewegungen erwartet. Es ist die größte alljährliche Völkerwanderung der Welt. Auch ein weiterer Superlativ darf – sofern in den Innenstädten weiterhin erlaubt – nicht fehlen: Ein riesiges Feuerwerk. Der britische Diplomat und Sinologe John Francis Davis schrieb bereits 1839: „An dem Abende des letzten Tages im Jahre wacht Jedermann bis Mitternacht. Mit dieser Stunde beginnt ein unendlicher Lärm von den Schwärmern, Raketen und Freudenfeuern, und der Verbrauch dieser Feuerwerke ist so groß, dass die Luft mit Salpeter erfüllt ist.“
Feiertage sind nicht nur ein Anlass zum Schmücken, sondern auch, um sich gegenseitig Geschenke zu machen oder sich selbst etwas zu gönnen. Und so wird jedes Jahr die Zahl derjenigen Unternehmen größer, die das jeweilige Jahrestier in ihre Werbemaßnahmen, Schaufensterdekoration und Produktentwicklung integrieren. Neben dem Tier dominieren die Farben Rot und Gold. Nespresso beispielsweise platziert in diesen Wochen seine roten Kaffeemaschinen im Schaufenster, die Mitarbeiter in den Apple Geschäften tragen rote Shirts, Montblanc lockt Kunden mit roten Füllfederhaltern in seine Boutiquen und auch die Auslagen von Valentino, Gucci, Hogan oder Tods leuchten in strahlendem Rot. Camper wiederum umwirbt seinen „Year of Rooster Sale“ mit zwei roten Paar Schuhen. In den Schaufenstern von Dolce & Gabbana steht dieses Jahr ein riesiger Gockel, und selbst auf den Kinderserien dieser italienischen Modemarke sind farbenfrohe Hähne aufgenäht. Eine Fotowand im Toys R Us lässt nicht nur Kinder-, sondern auch Erwachsenenherzen höher schlagen. Auf dieser ist das Jahrestier, gebaut aus Legosteinen, abgebildet. Die ganze Familie, traditionell in Rot gekleidet, hilft beim Bauen.
Nicht weniger auffällig ist ein meterlanger Kunstdruck mit Hahn-Stillleben im Schaufenster der australischen Schuhmarke UGG. Wer sich dagegen eher für Schweizer Messer interessiert, der wird bei Victorinox mit der Huntsman Rooster Sonderausgabe fündig. In Anspielung an die Zahl des Wohlstands, die Zahl 8, wird es im Genfer Flagship Store für 88 Schweizer Franken angeboten. Für Liebhaber chinesischer Glaskunst bietet die taiwanische Manufaktur Liuligongfang dieses Jahr einen Hahn an, der selbstredend auf einem meterhohen Poster auch den Geschäftseingang schmückt. Für die tägliche Nutzung bietet sich der neue Moleskine Planer an. Auf dem Umschlag ist nicht nur ein Hahn abgebildet, die Sonderausgabe wurde auch zusammen mit der beliebten Modemarke Shanghai Tang entworfen.
Starbucks bietet Kaffeetassen und Porzellan mit Hahn-Motiven an, Godiva hat rote und goldene Geschenkboxen mit Hahnstickerei als limitierte Sonderauflage in der Auslage, und ein roter Hahn ist auf der klassischen blauen Dose von Oreo zu sehen. Skittles wiederum hat eine Frühjahrsfestedition herausgebracht, auf der in goldenen Schriftzeichen beliebte Neujahrssprüche stehen. Hierunter beispielsweise „gong xi fa cai“ (恭喜发财), der Wunsch, zu Wohlstand und Reichtum zu gelangen. Haribo hat im Supermarkt eine goldfarbene Zweitplatzierung aufgestellt. Auf dieser ist neben traditionellen Feuerwerkskörpern der Goldbär zu sehen, der in seinen Händen einen sogenannten „roten Umschlag“ hält (红包, hong bao). In diesem werden in China traditionell Geldgeschenke überreicht. Wer sich stattdessen für Kinder Schokolade entscheidet, erhält beim Kauf ein knuffiges Plüschtier mit dazu. Nicht zuletzt französische Unternehmen erfreuen sich an dem Hahn, ist er schließlich auch das Wappentier der Grande Nation. Auf einem Plakat der französischen Joghurtmarke Yoplait thront er direkt auf dem Eiffelturm.
Zu den klassischen Gestaltungselementen gehören in China natürlich auch die Schriftzeichen. Dieses Jahr gibt es gleich mehrere Unternehmen, die sich hier kreativ gezeigt haben. Bang & Olufsen beispielsweise hat das Jahrestier in das Schriftzeichen für Glück (fu, 福) integriert und dieses in Form von goldenen Aufklebern an die Türen seiner Geschäfte geklebt. Wasserfilter von Brita werden wiederum in einem besonderen Umkarton präsentiert, auf dem der Filter Teil des Schriftzeichens für Frühling ist (chun, 春). McDonald’s hat schließlich zahlreiche Eingänge von Metrostationen plakatiert, um auf seine neuen Portobello-Burger aufmerksam zu machen. Der Claim lautet „新年菇大LUCK“, gesprochen: „xin nian gu da luck“. „xin nian“ bedeutet „neues Jahr“, „gu da“ lässt sich nicht nur als „großer Pilz“ lesen, sondern ist von der Aussprache homophon zum englischsprachigen „good“. Mit Sprachwitz steht hier folglich der Wunsch „Viel Glück im neuen Jahr!“.
Von Knabbereien, Nahrungsergänzungsmitteln bis hin zu Olivenöl, es gibt kaum etwas, das sich nicht in rot-goldene Tragetaschen und Geschenkboxen verpacken und als Geschenk nutzen lässt. Im Handel muten die unzähligen Regalmeter an Geschenkkartons gar wie eine riesige Große Mauer an, traditionelle Neujahrsmusik heizt die Stimmung der Kunden bei ihren letzten Einkäufen im Jahr an, mit vollgetürmten Einkaufswagen quetschen sie sich durch die Gänge und an Promotern vorbei, die lautstark in ihre Mikrofone rufen und ihre Produkte umwerben. Das letzte große Lärmen, bevor auch im Büro der Griffel fällt, der wohlverdiente Urlaub beginnt und vereint im Kreise der Familie ein wenig Ruhe einkehrt. Wären da nicht die Feuerwerke, um die bösen Geister zu vertreiben, und nicht zuletzt der Hahn, der mit einem unüberhörbaren Kikeriki voller Inbrunst sein neues Jahr begrüßt. at
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.