Strapazierfähig. So ließe sich nicht nur 耐克 (naike), der chinesische Markenname des US-Konzerns Nike, übersetzen, sondern auch dessen Einstellung zum chinesischen Markt bezeichnen. Denn selbst Millionenverluste und Fehlversuche haben den führenden amerikanischen Sportartikelhersteller nicht von seiner Chinavision abbringen können.
Nike blickt mittlerweile auf über 30 Jahre Chinaerfahrung zurück. Nach einem rasanten Start – nur fünf Monate nach Einreichen des ersten Projektvorschlags im April 1980 wurde der erste Vertrag unterzeichnet – begann im Oktober 1981 die Schuhproduktion in chinesischen Staatsfabriken. Zielsetzung: über 1.000.000 Paar pro Monat bis zur Mitte der achtziger Jahre. Gegen Ende 1984 betrug das Produktionsniveau hingegen nicht mehr als 150.000 Paar, was den Gründer und Präsidenten von Nike, Phil Knight, zu dem Urteil bewegte, China sei weltweit der schwierigste Markt, um Geschäfte zu betreiben. Als Pionier im Chinageschäft und eines der ersten Unternehmen, die im Zuge der Öffnungspolitik hier Neuland betraten, sah sich auch Nike konfrontiert mit Qualitätsproblemen, unterentwickelten Distributionsnetzwerken, geringer Herstellungsflexibilität, niedriger Arbeitsmotivation und vor allem mit einer stark ausgeprägten Bürokratie. Das Geschäftsjahr 1984 schloss das Unternehmen aus Beaverton, Oregon, mit einem Verlust von einer Million US-Dollar.
Andere Probleme waren dagegen hausgemacht. Mitte der 90er, als Nike begann, den chinesischen Profifußball auszustatten, führten schlecht sitzende Schuhe bei den lokalen Athleten zu Hackenschmerzen, sodass Nike ihnen erlauben musste, Produkte des Konkurrenten Adidas zu tragen (mit schwarzem Klebeband über dem Logo). 1997 wiederum, als die Nachfrage im Zuge der asiatischen Bankenkrise zusammenbrach, flutete Nike den Markt mit günstigen Schuhen, deren Preise noch unter denen seiner Einzelhändler lagen. Eine starke Abwanderung zum Wettbewerb war die Folge. Ein anderer Versuch, mit einem preisgünstigen „Weltschuh“ den chinesischen Markt zu erobern, scheiterte zwei Jahre später so kläglich, dass Nike das Projekt nach kürzester Zeit aufgab.
Heute hat der Markenhersteller mit dem Swoosh-Logo verstanden, dass seine Zielgruppe vor allem Statusgewinn als Produktnutzen ansieht und die zentrale Frage lautet, wie sich sportliche Betätigung in „soziale Währung“ ummünzen lässt und Nike dem Käufer seiner Produkte zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung verhelfen kann. Hier setzt der Sportartikelanbieter vor allem auf bekannt-beliebte Markenbotschafter, wie den chinesischen Hürdenläufer Liu Xiang oder die Tennisspielerin Li Na. Und für die Londoner Olympiade stattete Nike zahlreiche chinesische Teams mit Uniformen aus. Geflankt wird dieses Engagement mit einer nationalistischen Anspracherichtung in den Kommunikationsmaßnahmen. Beispielsweise antwortete Liu in einem TV-Spot auf die Fragen „Asians lack muscle?“ und „Asians lack the will to win?“ mit „Stereotypes are made to be broken“. Auch Sportbekleidung in den chinesischen Nationalfarben ist im Sortiment und alljährlich eine Sonderedition zum Frühjahrsfest mit dem jeweiligen Tierkreiszeichen.
Bis 2015 will der Markführer seinen Umsatz in China auf über 4 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Dieses soll vor allem durch den verstärkten Ausbau seines bereits über 7500 Händler umfassenden Distributionsnetzwerks geschehen, vornehmlich in kleineren Städten in Inlandsprovinzen, und eine Intensivierung der Zielgruppenansprache. Hier sind zum Beispiel Regierungskooperationen im Bereich Schul- und Hochschulsport geplant, spezielle Trainingskurse für Frauen, Verkaufsveranstaltungen an belebten Einkaufsorten und eigene Laufclubs. Schließlich ist Laufen hierzulande noch weit davon entfernt, als Breitensportart zu gelten, was angesichts hoher Luftverschmutzung und durch Fahrzeuge jeder Art verstopfter Straßen kaum verwundern kann. Um seine Umsatzziele zu erreichen, hat sich der US-Konzern in den nächsten Jahren folglich nichts Geringeres vorgenommen, als Laufen als soziales Event für junge, städtische und markenbewusste Chinesen zu etablieren und eine Team- und Individualsportkultur wie in seinem Heimatmarkt USA aufzubauen. Nikes Antrieb ist fraglos ungebrochen.
Der aktuelle Slogan „Find your greatness“ (活出你的伟大) scheint angesichts der abwechslungsreichen Geschäftsgeschichte in China für Nike – aber auch andere Marktakteure – Erfahrungsschatz und Motivation zugleich, den chinesischen Markt nicht als Sprint, sondern als Dauerlauf zu verstehen. Strapazierfähig. at
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