Schulen werden geschlossen, Freizeitaktivitäten werden auf ein Minimum eingeschränkt und die arbeitende Bevölkerung wird aufgerufen, von daheim zu arbeiten – die Welt spielt verrückt und der Grund hierfür ist das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Doch was bedeutet das für Unternehmen?
China kämpft bereits seit Ende Januar mit den Auswirkungen der Epidemie, weshalb sich Unternehmen mit der Situation schon länger beschäftigen und kreative Marketingmaßnahmen entwickelten. Firmen aus anderen Ländern haben jetzt die Chance, von ihnen zu lernen. Gemeinsam mit Andreas Tank, führender Chinaexperte, werfen wir einen Blick darauf, wie Unternehmen in China, aber auch Spielwarenunternehmen weltweit mit der Ausnahmesituation umgehen, und wie die Spielwarenbranche daraus lernen kann.
Die Bevölkerung bleibt zuhause
Im Kampf gegen Covid-19 werden drastische Maßnahmen von den Regierungen beschlossen und der Bevölkerung wird es nahegelegen sich soweit es geht zu isolieren. Was heißt das für unsere Gesellschaft? Anstatt zur Arbeit oder zu Schule zu gehen und mit Freunden Restaurants oder Veranstaltungen zu besuchen versteckt man sich in seinen sicheren vier Wänden. Und das bedeutet zum einen viel Zeit für die Familie oder den Partner, und zum anderen für digitale Aktivitäten wie Online Shopping, Social Media, und Co..
Der Online Handel boomt
Bereits vor der Virusepidemie entfielen 36 % der Einzelhandelsumsätze in China auf den Onlinehandel, womit China der weltgrößte Markt für E-Commerce ist. Mit dem Ausbruch des Coronavirus wurde der Onlinehandel zum Rückgrat der Versorgung, da sich das Kaufverhalten der Konsumenten schlagartig änderte. Die Kurierdienste sind somit – neben dem medizinischen Personal und den öffentlichen Bediensteten, die beispielsweise durchgängig den Nahverkehr oder die Müllentsorgung aufrechterhalten – die Aorta der Krise. Um den Kunden zu zeigen, dass auch bei der Lieferung auf höchste Sicherheit geachtet wird, erhalten Konsumenten eine Bestätigung, dass das Ergebnis des Fiebertest des Fahrers negativ ist. Im Epizentrum, der Stadt Wuhan, testete Chinas zweitgrößte Onlineplattform JD sogar Roboter und Drohnen für die letzte Liefermeile zum Kunden.
„Stay where you are! We deliver to you!“ war somit das Motto vieler Unternehmen in China, auch von kleineren Plattformen. Vor allem Firmen der Lebensmittelbranche boten einen Lieferservice an wie z. B. Godiva, Costa Coffee oder der Weinhändler Cheers. Auch Aldi China ermutigte die Bevölkerung zum Valentinstag daheim zu bleiben und selbst zu kochen: „Romance, handpicked for home“. Auch in Deutschland betreiben viele Spielwarenhersteller und große Händler bereits einen Onlineshop, auf den sie in ihren Marketingmaßnahmen explizit hinweisen, um diesen Service hervorheben zu können. Aber auch lokale Spielwarenhändler, die auf ihrer Webseite keinen Onlinestore integriert haben, können ihren Kunden anbieten, Bestellungen per Mail oder Telefon aufzunehmen und diese auszuliefern.
Chinas bedeutendste Internet-Shoppingplattform ist Tmall, hinter der die Alibaba-Gruppe steht. Wer im chinesischen Onlinehandel eine Rolle spielen will, eröffnet hier einen Store. Wie beispielsweise das Traditionsunternehmen Steiff, das im Februar seinen Tmall Flagship Store launchte und somit nicht nur kurzfristig Corona-gerüstet ist, sondern sich auch langfristig hierdurch einen wichtigen Zugang zum chinesischen Markt erschlossen hat.
Marken erhöhen ihre Online Aktivitäten
Die Einschränkung der Freizeitaktivitäten führte unter anderem zur Schließung der Kinosäle. Ein Schock für die Filmindustrie und die Lizenzbranche die in der Spielwarenindustrie eine zentrale Rolle spielt. Doch in China feierten neue Filme trotzdem eine erfolgreiche Premiere, nur eben online. Auch Universal zeigt in der USA und anderen Teilen der Welt die bereits angelaufenen und in Kürze startenden Filme per Stream. Die Kinos selbst fangen ebenfalls an zu reagieren. Beispielsweise bietet die Yorck-Kinogruppe in Berlin ihren Dauerkarten-Besitzern einen kostenlosen Zugang zu dem Streamingdienst Mubi an.
Auch andere Branchen steigern ihre Onlineaktivitäten vor allem in den sozialen Medien. In China setzen Unternehmen vor allem auf den Kanal WeChat. Porsche macht auf dieser Plattform auf seine neue digitale Verkaufsberatung mitsamt Online-Konfigurator aufmerksam und die Modegruppe Bestseller setzt neuerdings verstärkt auf WeChat Mini-Programme. Bestseller setzte zudem Anreize für Mitarbeiter, um als Online-Vertriebspersonal aktiv zu werden und gleichzeitig auf digitale Marketinginstrumente wie Blitzverkäufe und Gewinnspiele. Ein neuer Ansatz, der auch langfristig zum Geschäftserfolg beitragen wird. Firmen anderer Nationen können ebenfalls auf Social Shopping setzen, um Umsatzeinbußen zu minimieren und neue Verkaufskanäle zu erobern. Viele Plattformen bieten die Shopping Funktionen bereits an wie Instagram, Facebook, Pinterest, TikTok und Co.
Nicht nur für den Verkauf von Produkten spielen die sozialen Netzwerke eine wichtige Rolle. Egal ob kleine oder große Händler, hier besteht die Möglichkeit kontinuierlich mit dem Kunden in Kontakt zu bleiben, sie zu binden und zu unterhalten. Via Feeds oder Stories kann die Bevölkerung auf dem Laufenden gehalten werden rund um das Geschäft bzgl. voraussichtlicher Öffnungszeiten aber auch in Sachen neuer Sortimente.
Marken als Ideengeber in Zeiten der Isolierung
Zeit daheim ist zwar schön, dennoch fällt einem irgendwann die Decke auf den Kopf. Und den ganzen Tag vor dem Fernseher oder dem Handy zu sitzen, ist auf Dauer auch langweilig. Genau zu diesem Zeitpunkt können sich Marken profilieren, denn Kunden suchen nach neuen Ideen und Abwechslung. Ikea gibt in China beispielsweise Tipps für den Tagesablauf im Heimbüro bis hin zum Spielen und Backen mit dem Kind. Dabei verweist das Unternehmenauf die passenden Produkte aus ihrem Katalog. Warum also nicht die Familie ermutigen, mal wieder ein neues Spiel auszuprobieren? Und dabei selbst die Teenager wieder zu einem Spieleabend bewegen?
Wie das funktioniert zeigt auch die Plattform „Quarantäne Kids“. Zwei Schwestern nutzten die Gunst der Stunde, um etwas Gutes zu tun. Die Spiel- und Lerndesignerinnen wollten Familien Spielideen geben, um der Langeweile der Kinder entgegen zu wirken. Die einfachste Variante die Bastelideen bereit zu stellen, war für die Gründerinnen, sie per Blog hochzuladen. Um die Bekanntheit des Blogs zu erhöhen, richteten sie zudem einen Instagram Kanal ein. Der Launch war ein voller Erfolg, denn nicht nur die Klickzahlen auf der Webseite sprachen für sich, auch die Follower Zahlen bewegten sich nach nur wenigen Stunden im 4-stelligen Bereich. Die Schwestern waren von dem Erfolg überrascht und die Kunden für die Spiel-PDFs unendlich dankbar.
Andere Firmen, wie beispielsweise die NOCH GmbH, versuchen bei ihrern Followern mit einer Challenge zu punkten. NOCH möchte mit der Aktion alle Modellbahn-Liebhaber dazu ermutigen, ihre Anlage zu fotografieren, auf Instagram hochzuladen und mit dem Hashtag #nochworldwide zu teilen. Eine Aktion, die bei der Zielgruppe Aufmerksamkeit erreicht.
Mit Glaubwürdigkeit und Persönlichkeit beim Kunden punkten
Für die Gesellschaft ist es wichtig, dass die Unternehmen auf das Wohlergehen und die Gesundheit der Bevölkerung achtet. Sie möchten in ihren Bedenken ernst genommen werden und erwarten von Firmen gewisse Hygiene und Sicherheitsmaßnahmen. Darum ist es wichtig, das auch in der Öffentlichkeit zu zeigen. Starbucks und Shake Shack geben in China öffentlich die internen Sicherheitsmaßnahmen wie Mundschutz und Fiebermessungen bei Mitarbeitern, Hand- und Oberflächendesinfektion bekannt, um das Vertrauen der Kunden aufrecht zu erhalten. Andere Unternehmen wie der Maschinenbauer Viessmann versichert, dass der Technische Kundendienst auch in den schwierigen Wochen im Einsatz ist und sendet den Kunden Grußbotschaften mit Durchhalteparolen von Niederlassungen rund um den Globus. Auch die geistige Gesundheit ist in Zeiten der Hausisolierung besonders wichtig, nicht zuletzt auch für Kinder, die nicht mehr im Freien toben können. In diesen Zeiten gewinnen beispielsweise Puppen oder Plüschtiere signifikant an Bedeutung, denen sie ihre Gedanken anvertrauen können.
Zusammenhalt und Persönlichkeit ist das A und O. Wünsche wie Gesundheit, Durchhaltevermögen und Kraft senden derzeit sämtliche Unternehmen an die Bevölkerung. Insbesondere auch an kulturellen Feiertagen wie beispielsweise dem chinesischen Laternenfest. Hier sind Andros, Rosenthal, Villeroy & Boch und Zeiss zu nennen. Ebenso demonstrieren sie Solidarität mit Wuhan, bilden die kulinarische Spezialität der Stadt ab oder rufen zu Spendenaktionen auf, um Hilfslieferungen in die stark betroffenen Gebiete zu senden.
Wie geht es weiter?
Die Auswirkungen auf die globale Wirtschaft sind immens und in ihrem Gesamtausmaß kaum abzuschätzen. Die Zentralregierung in China hält unverändert an den Wachstumszielen für 2020 fest, denn das Ende der Krise wird auch starke positive Kräfte freisetzen. Es bleibt auch spannend, wie sich das Konsumverhalten der Bevölkerung dauerhaft verändert. Doch eines steht in China bereits fest: Im Punkt Digitalisierung hat das Land wieder einen Schritt nach vorne gemacht. Auch Unternehmen in der restlichen Welt sind jetzt gefordert, sich digitaler für ihre Kunden aufzustellen. Die Situation fordert Kreativität, um neue Verkaufs- und Marketingmöglichkeiten zu entdecken, die auch langfristige Erfolge in „normalen“ Zeiten versprechen. Wie immer gilt, dass auch in der schlimmsten Krise eine Chance zu finden ist.
Veröffentlicht: https://www.spielwarenmesse.de/magazin/artikeldetail/marketingmanahmen-unternehmen-covid-19/
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.