Und zum Kaffee einen Drachen-Zongzi

Starbucks. © at

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Ausverkauft. Auch in diesem Jahr ist die Starbucks Geschenkverpackung anlässlich des traditionellen chinesischen Drachenbootfests wieder ein Verkaufsschlager. Fünf Zongzi (粽子), in Bambus-, Schilfrohr- oder Lotusblätter eingewickelte Klebreisklöße in den beliebten Geschmacksrichtungen wie Grüner Tee, Mango oder Rote Bohne, haben für reißenden Absatz gesorgt. Die kulinarische Spezialität, in einer ansprechenden Box aus Bambus dargeboten und im Marketing-Fachchinesisch werbewirksam „Dragon Dumpling“ genannt, zeigt einmal mehr den forcierten Lokalisierungsansatz der amerikanischen Kaffeekette. Schon lange gilt die Integration kultureller Elemente als geschäftlicher Erfolgsfaktor.

Dass sich die landesweit via Anzeigenkampagne vermarktete farbenfrohe Selektion aus einer Fünferauswahl zusammensetzt, darf kaum als Zufall gelten, schließlich fällt das Drachenbootfest nach dem traditionellen chinesischen Kalender auf den fünften Tag des fünften Mondmonats und heißt daher auch „Fest der Doppelfünf“ (duanwujie, 端午节). Der fünfte Monat gilt als Giftmonat (duyue, 毒月), um sich zu schützen hilft ein Kräuterbad aus Beifuß, Weidenblättern und Kalmus, oder ein kräftiger Schluck Wein, der zuvor mit Rubinschwefel vermischt wird (xionghuangjiu, 雄黄酒). Kindern wiederum wird ein mit Kräutern gefülltes Duftsäckchen um den Hals gehängt (xiangbao, 香包).

Am jährlichen Drachenbootfest, dessen Ursprung legendenhaft und mythenumwoben ist, wird des Todestages von Qu Yuan gedacht (屈原), der im dritten Jahrhundert v. Chr. zur Zeit der Streitende Reiche lebte und als Chinas erste historisch belegte Dichterpersönlichkeit gilt. Am Hof des Königshauses von Chu soll er einen einflussreichen Ministerposten bekleidet, aufgrund seiner aufrechten Haltung, ausgeprägten Wahrheitsliebe und kritischen Meinung jedoch die Gunst des Herrschers verloren haben und exiliert worden sein: „Alle sind sie betrunken, nur ich bin nüchtern und sehe klar. Alle sind schmutzig, nur ich bin rein. Deshalb bin ich entlassen worden.“ Der zuvor im Volk beliebte Beamte fristete ein Leben in Einsamkeit, wandere durch die angrenzenden Reiche und verfasste neben der Gedichtsammlung Chuci (楚辞), die heute neben dem Buch der Lieder (Shijing, 诗经) als älteste poetische Kompilation gilt, die bedeutende Elegie Lisao (离骚). In diesem Klagegedicht verarbeitet er seine Schmerzen und Trauer der Trennung.

Qu formulierte Visionen für sein Königreich und die Verbesserung der Lebensbedingungen der einfachen Bevölkerung, doch ein Krieg zwischen den Reichen Chu und Qin, der seine Heimat zerstörte, schien ihm sämtliche Hoffnung auf Veränderung und Verbesserung geraubt zu haben, sodass er den Beschluss fasste, seinem Leben ein Ende zu setzen, und sich im Miluo-Fluss im heute nordöstlichen Hunan mit einem Stein ertränkte. Erst im Tod erfolgte die versöhnende Wiedervereinigung: Einer Überlieferung nach soll sich ein Goldkarpfen, gerührt durch das Schicksal des zu Lebzeiten stets um das Wohl seiner Heimat besorgten Patrioten, den Leichnam auf seinen Rücken gelegt und in dessen Heimat zurückgeschwommen haben.

Ob nun eine zuvor beispiellose Rettungsaktion in Gang kam, um den Vermissten schnellstmöglich mit Drachenbooten im See zu suchen, Zongzi in den Fluss geworfen wurden, um den Leichnam des Helden vor hungrigen Fischen zu bewahren oder ein Arzt den besagten Xionghuang-Wein in das Gewässer goss, um die Seeungeheuer betrunken zu machen, aus der Legende wurde ein Brauch, aus dem Brauch in China eine jahrtausendealte Tradition und im Westen ein populärer Trend. Und nicht zuletzt ein big business für die Wirtschaft, die sich dem oberflächlichsten Faktor im klassischen Sinne von „Brot und Spiele“ – fraglos am ehesten massenkompatibel, wortwörtlich populär – angenommen hat. Die Ausgestaltung des Festes muss folglich wie die Umkehrung des Rosinenpickens aus einem Kuchen erscheinen.

Doch während heutzutage hauptsächlich das Design der Geschenkverpackungen und exquisite Geschmackskompositionen im Vordergrund stehen, sollte das Wesen- und Charakterhafte des tiefgründigen und freigeistigen Dichters nicht in Vergessenheit geraten, denn an Brisanz hat die Unvereinbarkeit von Ideal und Realität nichts eingebüßt: Das eine, die herausragende Leistung, Wachstum und Fortschritt, ist ohne das andere, freies Denken, kritische Reflexion und Hinterfragen nicht zu erzielen. Nur allzu oft und vielerorts sind die Lebensumstände auch heute nicht förderlich. Für ihre Integrität bezahlen diese Menschen, wie das Beispiel Qu Yuan erinnert – die Einsamkeit eines Weisen ist nicht zuletzt sprichwörtlich –, mit Verbannung und Vereinsamung. Und diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Nicht nur an die Tatsache und die Begebenheiten von Qu Yuans Tod sollte in aller Feierstimmung bei Drachenbootregatta, Feuerwerk und Starbucks-Drachen-Zongzi erinnert werden, vielmehr auch an die Tragik der Umstände und Beweggründe und vor allem: die uneingeschränkte Aktualität. at

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